Baarer Politiker wirft sich erneut in den Wahlkampf

ALG-Politiker Simon Uster hofft im zweiten Wahlgang weiterhin auf einen Wahlsieg. (Bild: Andreas Busslinger / zvg)

In Baar konnte der erste Wahlgang keine Gewissheit schaffen, wer neu in den Gemeinderat Baar einziehen wird. Simon Uster stellt sich der ALG auch im zweiten Wahlgang zur Verfügung.

Nach dem Tod des Baarer Mitte-Gemeinderats Pirmin Andermatt entschied die Baarer Bevölkerung unter anderem über dessen Nachfolge. Keiner der drei Kandidaten erreichte ein absolutes Mehr, weswegen ein zweiter Wahlgang Klarheit schaffen soll (zentralplus berichtete).

ALG-Politiker Simon Uster wird auch zum zweiten Wahlgang antreten, wie die Grünen Baar mitteilen. Er habe im ersten Wahlgang ein beachtliches Resultat erzielt und als junger Kandidat parteiübergreifend Wählerinnen überzeugen können.

Die örtlichen Sozialdemokratinnen und Grünliberalen sowie die EVP Kanton Zug unterstütze Uster im Kampf um den freien Sitz, wie es in der Medienmitteilung heisst.

Mitte-Kandidat Vital Hotz tritt ebenfalls zum zweiten Wahlgang an, wie die Baarer Mitte-Präsidentin Mirjam Arnold schreibt. Er hat im ersten Wahlgang mit Abstand die meisten Stimmen geholt: rund 2100 Stimmen. Das sind rund 400 Stimmen mehr, als der Zweitplatzierte Uster. Trotzdem fehlten ihm noch rund 600 Stimmen fürs absolute Mehr, weshalb die Baarerinnen am 24. November erneut wählen.

Hinweis: Der Artikel ist um Informationen zur Kandidatur von Vital Hotz ergänzt worden.

Verwendete Quellen

  • Medienmitteilung der ALG Baar
  • Schriftlicher Austausch mit Mirjam Arnold, Präsidentin Mitte Baar
  • Ergebnisse Gemeinderatswahlen Baar

(Quelle: Infosperber) Link zum Originalpost

Wie können westliche Frauen für die Hamas demonstrieren?

Urs P. Gasche /  Es ist nachvollziehbar, gegen Israels Politik zu demonstrieren. Unverständlich ist, wenn sich Frauen für die Hamas einsetzen.

Wer die Vernichtungspolitik der israelischen Regierung mit Präsident Benjamin Netanyahu ablehnt, kann sich gegen die Politik Israels wenden, ohne die Hamas oder den palästinensischen Hamas-Staat zu unterstützen. Es fällt auf, dass manche Frauen sich direkt oder indirekt mit der Hamas solidarisieren, obwohl sie wissen müssen, dass die fundamentalistische Hamas Frauenrechte mit Füssen tritt.
«Verstehen diese gebildeten Töchter des Wohlstands eigentlich, dass sie, wenn sie in Gaza, Teheran oder Kabul eine abweichende Meinung äussern oder wenn sie gar verkünden, dass sie ‹queer› oder ‹gay› sind, auf der Stelle Opfer eines ‹Ehrenmordes› würden?» Das fragte Phyllis Chesler am 8. Oktober in der «Emma».

Die Frauen unter der fundamentalistischen Hamas
Die Hamas stützt sich auf religiöse, politische und soziale Normen, welche die Frauen schwer diskriminieren. Die islamistische Ideologie schränkt das Leben der Frauen stark ein. 
Die gesetzlichen Vorgaben, die Frauen im Gazastreifen diskriminieren, sind stark durch die islamische Scharia sowie durch spezifische Regelungen der Hamas geprägt, die seit ihrer Machtübernahme 2007 das Gebiet regiert. Diese Vorgaben betreffen vor allem das Familienrecht, die Bewegungsfreiheit, die Bildungs- und Berufschancen sowie die öffentliche Ordnung. 

Im Folgenden einige der zentralen gesetzlichen Vorschriften und gesellschaftlichen Normen, die Frauen benachteiligen:

1. Scharia-basiertes Familienrecht
Das Familienrecht im Gazastreifen basiert auf der Scharia, welche in mehreren Aspekten die Rechte der Frauen gegenüber denen der Männer einschränkt:
– Ehe und Scheidung: Ein Mann kann die Ehe einseitig beenden, indem er die Scheidung (Talaq) ausspricht, während Frauen oft kompliziertere rechtliche Verfahren durchlaufen müssen, um sich scheiden zu lassen. Frauen müssen zudem oft finanzielle Ansprüche aufgeben, um eine Scheidung zu erhalten.
– Sorgerecht: Im Fall einer Scheidung erhält der Vater oft das gesetzliche Vormundschaftsrecht über die Kinder, insbesondere über Söhne, sobald diese ein bestimmtes Alter erreicht haben. Mütter dürfen in der Regel das Kind nur bis zu einem bestimmten Alter betreuen, bevor es dem Vater zugesprochen wird.
– Erbrecht: Frauen erhalten nach den Vorschriften der Scharia in der Regel nur die Hälfte dessen, was Männer erben. Eine Tochter erbt beispielsweise die Hälfte des Anteils eines Sohnes. Dies gilt auch für andere verwandtschaftliche Beziehungen.

2. Ausgeh- und Reisevorschriften
Obwohl es im Gazastreifen keine formalisierte gesetzliche Vorschrift zur Vormundschaft gibt, wie es sie beispielsweise in Saudi-Arabien gibt, existieren dennoch de facto Vorschriften, die Frauen in Abhängigkeit von männlichen Verwandten halten.
– Ausgehen: Das unbegleitete Flanieren unverheirateter Paare ist verboten. Eine spezielle Frauenpolizei überwacht die Einhaltung der Vorschriften.
– Reisen: Frauen, besonders jüngere Frauen, benötigen häufig die Zustimmung eines männlichen Verwandten (Vater, Bruder oder Ehemann), um den Gazastreifen zu verlassen. Diese Einschränkungen wurden durch die restriktive Politik der Hamas und die Kontrolle der Grenzen verstärkt.

3. Kleidervorschriften und öffentliche Ordnung
– Kopftuchpflicht: Die Hamas setzt die Einhaltung strenger islamischer Kleidervorschriften durch, insbesondere das Tragen des Hijabs (Kopftuch) und einer konservativen Kleidung in der Öffentlichkeit. Frauen, die sich nicht an diese Vorschriften halten, können von den Behörden und der Sittenpolizei verwarnt oder bestraft werden. 
– Geschlechtertrennung: In vielen öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Universitäten und Freizeiteinrichtungen wird eine strikte Geschlechtertrennung durchgesetzt. Dies schränkt Frauen sowohl im Bildungsbereich als auch in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe ein.

4. Gesetze zur öffentlichen Moral»
Die Hamas führte ausserdem Gesetze zur «öffentlichen Moral» ein, die Frauen besonders betreffen. Diese Gesetze beinhalten Vorschriften über das Verhalten von Frauen in der Öffentlichkeit, die Art der sozialen Interaktion zwischen den Geschlechtern und die Einhaltung religiöser Normen.
Lehrer dürfen nur Jungen unterrichten, Lehrerinnen nur Mädchen. 
Ein Militärgesetzbuch sieht harte Strafen für gleichgeschlechtliche Liebe vor: 100 Peitschenhiebe und bis zu einem Jahr Haft für Geschlechtsverkehr. Bei mehreren Partnern oder Partnerinnen drohen zusätzlich bis zu sieben Jahre Haft.

5. Einschränkungen im Arbeits- und Bildungsbereich
– Begrenzte Berufschancen: Obwohl Frauen im Gazastreifen theoretisch Zugang zu Bildung und Arbeit haben, sind sie in der Praxis oft in traditionellen Rollen gefangen. In öffentlichen Institutionen oder in höheren Positionen gibt es nur sehr wenige Frauen, da die Hamas eine konservative Vorstellung von Geschlechterrollen fördert.
– Sozialer Druck: Frauen, die Berufe ergreifen, die als «unweiblich» gelten oder die eine aktive Rolle in der Politik spielen wollen, sehen sich häufig starkem sozialen Druck ausgesetzt. Das schränkt ihre Karrierechancen und ihre öffentliche Präsenz stark ein.

6. Politische Unterdrückung
Frauen sind in der Politik stark unterrepräsentiert. Obwohl es keine expliziten gesetzlichen Vorgaben gibt, die ihre politische Teilhabe verbieten, behindern strukturelle und soziale Hürden ihre politische Beteiligung. Die Hamas fördert eine patriarchalische Auslegung des Islams, die Frauen von politischen Machtpositionen fernhält und ihre Teilnahme am öffentlichen Leben auf ein Minimum beschränkt.

Alle diese rechtlichen Vorgaben und sozialen Normen verwendet die Hamas, um ihre konservative und religiöse Ideologie durchzusetzen. Sie drängen Frauen in eine untergeordnete Rolle und entziehen ihnen grundlegende Rechte wie die freie Wahl in der Ehe, die Bewegungsfreiheit und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

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Emmen: Gemeinde erwartet finanziellen Taucher

Die Gemeinde Emmen ist in einer angespannten finanziellen Lage. (Bild: Gemeinde Emmen)

Der Emmer Gemeinderat rechnet für das nächste Jahr mit einem Minus bei den Finanzen. Es stehen hohe Ausgaben an.

Die Gemeinde Emmen hat ihr Budget für das kommende Jahr präsentiert. Der Finanzhaushalt bleibt unter Druck, wie die Gemeinde in einer Medienmitteilung am Donnerstag schreibt. Sie rechnet zwar mit steigenden Erträgen, diese hinkten aber den Ausgaben hinterher.

Entsprechend rechnet der Gemeinderat für das anstehende Jahr mit einem Minus von 1,2 Millionen Franken. Insgesamt stehen sich im Budget 252 Millionen Franken an Aufwänden 251 Millionen Franken an Einnahmen gegenüber. Die Aufwände steigen 2025 um knapp 12 Millionen Franken, wozu insbesondere höhere Personalkosten beitragen.

Ein gewisser Druck ist vorhanden

Der Gemeinderat rechnet damit, dass die Schieflage der Fiskalfinanzen nach vier positiven Jahresabschlüssen in Folge nicht lange andauert. Bereits ab 2027 geht die Gemeinde wieder von schwarzen Zahlen in ihren Büchern aus. Wie der Medienmitteilung zu entnehmen ist, sieht der Gemeinderat zumindest bis 2028 keine Steuererhöhung vor.

In den kommenden Jahren steht Emmen vor grossen Investitionen. Für die gesamte Budget- und Planperiode 2025 bis 2028 sind Nettoinvestitionen von total 142 Millionen Franken vorgesehen. Der Grossteil soll in die Schulinfrastruktur fliessen.

Angesichts dieser Ausgaben sagt Finanzdirektor Patrick Schnellmann, dass die Planjahre 2026 bis 2028 zwingend positiv abgeschlossen werden müssten. «Nur so können die anstehenden Investitionsvorhaben finanziert und die Verschuldung begrenzt werden», ist er in der Mitteilung zitiert. Der Einwohnerrat behandelt das Budget am 12. November.

Verwendete Quellen

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Verliert Thomas Aeschi seine Immunität?

Thomas Aeschi rang im Juni auf einer Treppe im Bundeshaus mit einem Sicherheitsbeamten. (Bild: Parlamentsdienste/Tim Loosli)

Der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi hat die Bundesanwaltschaft auf den Fersen. Sie will seine gesetzliche Immunität aufheben.

Zugs SVP-Nationalrat, Thomas Aeschi, könnte sein Recht auf Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung während Sessionen verlieren – zumindest rückwirkend. Die Bundesanwaltschaft hat beantragt, die Immunität von Thomas Aeschi und seines Parteikollegen Michael Graber aufzuheben.

Das bestätigt ein Sprecher des Bundes gegenüber der «Republik». Hintergrund des Ereignisses ist das Handgemenge, welches sich die beiden Nationalräte im Juni mit Bundespolizisten in Bern lieferten (zentralplus berichtete).

Würden die zwei Parlamentarier ihre Immunität verlieren, könnte die Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren wegen Hinderung einer Amtshandlung einleiten, schreibt die Zeitung am Mittwoch. Bei einem solchen Vergehen drohe den beiden eine Geldstrafe von bis zu 30 Tagessätzen.

Kampf auf einer Treppe

Zur Erinnerung: Kurz vor Ende der Sommersession besuchte der ukrainische Parlamentspräsident das Bundeshaus. Für einen Fototermin sperrte die Bundespolizei kurzzeitig eine Treppe in der Eingangshalle. Aeschi und Graber liessen sich von der Sperrung nicht beirren und wollten die Stufen begehen.

Das hatte ein Gerangel mit Sicherheitsbeamten zur Folge. Auf der Kurznachrichtenplattform X schrieb Aeschi nach dem Handgemenge, parlamentarische Arbeit müsse vor ausländischen Staatsbesuchen Vorrang haben, weshalb er sich nicht habe stoppen lassen wollen.

Im Juli wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft nach dem Vorfall Vorabklärungen eingeleitet hat, weil eine Strafanzeige eingegangen ist (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen

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Corona: Wissenschaftler waren Befehlsempfänger der Politik

Martina Frei /  Geleakte Protokolle des Robert-Koch-Instituts decken auf: Die Experten wurden übergangen. Aber sie schwiegen und machten mit.

Noch warten die jetzt veröffentlichten rund 4000 Seiten Protokolle des Covid-19-Krisenstabs auf eine detaillierte Auswertung. «Wir brauchen jetzt viele Köpfe, um das durchzuarbeiten», sagte der Journalist Bastian Barucker am 23. Juli an einer eiligst einberufenen Medienkonferenz in Berlin.

Eine frühere Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter am Robert-Koch-Institut (RKI) liess der Journalistin Aya Velázquez sämtliche Protokolle des «COVID-19-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts» und weiteres Material zukommen. Velázquez veröffentlichte alle Dateien zum Herunterladen im Internet. Bisher war erst ein Teil der Protokolle – mit vielen Schwärzungen – bekannt (Infosperber berichtete). Das RKI kritisierte die jetzige Veröffentlichung ohne jegliche Schwärzungen mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse von Pharmaherstellern und den Persönlichkeitsschutz Dritter.

Medienkonferenz Homburg, Velázquez, Barucker
Professor Stefan Homburg, Aya Velázquez und Bastian Barucker (v.l.n.r.) an der Medienkonferenz in Berlin. Grosse Medien fehlten im Publikum.

Wissenschaftler als Erfüllungsgehilfen

Was Velázquez, Barucker und der pensionierte Finanzprofessor Stefan Homburg in den rund 4000 ungeschwärzten Seiten bisher ausgruben, wirft ein schlechtes Licht auf die Wahrhaftigkeit von Wissenschaftlern und Politikern. 

Während der Pandemie rechtfertigten Regierungen ihre Massnahmen mit dem Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Das Motto lautete «Follow the Science», folge der Wissenschaft. Doch wie die Protokolle jetzt nahelegen, folgten die Wissenschaftler stattdessen häufig den Anordnungen der Politik. Die Experten am RKI, das dem deutschen Gesundheitsministerium untersteht, äusserten zwar immer wieder Bedenken. Doch streckenweise machten sie sich – wider besseres Wissen – zu gehorsamen Erfüllungsgehilfen. 

Noch im März 2024 hatte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» gesagt, es brauche keine politische Aufarbeitung der Corona-Pandemie, sondern nur eine wissenschaftliche. Die folgenden Beispiele widerlegen ihn.

Acht Beispiele

1. Aus den RKI-Protokollen geht hervor, dass den Fachleuten dort klar war, dass Personen nur etwa zwei bis acht Wochen nach der Impfung vor einer Coronavirus-Infektion geschützt sind, und dass sie danach – ohne oder nur mit leichten Symptomen – «durchaus hohe Viruskonzentrationen im Nasen-/Rachenraum aufweisen und kontagiös [also ansteckend – Anm. d. Red.] sind».

Trotzdem erhielten Geimpfte von den Behörden anfangs ein Covid-Zertifikat für zwölf Monate ausgestellt, später wurde es auf neun Monate verkürzt. Dieses Zertifikat berechtigte zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Europaweit nahmen die Behörden damit in Kauf, dass sich Geimpfte in falscher Sicherheit wiegten und sich für nicht ansteckend hielten, obschon sie das Virus übertragen konnten wie Ungeimpfte. 

2. Der damalige deutsche Gesundheitsminister – und mit ihm viele Medien – sprach von der «Pandemie der Ungeimpften». Im RKI-Protokoll vom 5. November 2021 steht dazu:

«Aus fachlicher Sicht nicht korrekt […] Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.»

RKI-Protokoll

Prominente und grosse Medien nannten Menschen, die sich nicht impfen liessen, in der Folge «Arschlöcher» («Tages-Anzeiger» vom 8.12.2021), «Pandemietreiber», «Blinddarm», «Tyrannen», «Sozialparasit» und anderes mehr. «Der Spiegel» forderte schon im Dezember 2020**: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.»

Lothar Wieler, der damalige Leiter des RKI, hätte öffentlich erklären können, dass es sich um keine «Pandemie der Ungeimpften» handelte. Doch er schwieg.

Im Gegensatz zum Virologen Christian Drosten. 

Im November 2021 erklärte Drosten in der «Zeit»: «Es gibt im Moment ein Narrativ, das ich für vollkommen falsch halte: die Pandemie der Ungeimpften. Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften […] Wir haben eine Pandemie, zu der alle beitragen – auch die Geimpften, wenn auch etwas weniger.»

3. Aber auch Drosten (der nicht zum RKI-Krisenstab gehörte) kuschte, wenn er es für opportun hielt. Das RKI-Protokoll hielt am 29. Juli 2020 fest, Drosten habe einen vertraulichen Textentwurf mit Empfehlungen zur Teststrategie verfasst, aber

«zwischenzeitlich entschieden, das Papier nicht zu publizieren, da ungezielte Testung im Text als nicht sinnvoll betrachtet wird und dies dem Regierungshandeln widerspricht». 

RKI-Protokoll

Drosten habe damit seiner fachlichen Ansicht zuwider gehandelt, sagte die Journalistin Aya Velázquez an der Pressekonferenz. Die dadurch entstandene Steuergeldverschwendung durch ungezieltes Testen bezifferte sie «im Bereich von mindestens 10 Milliarden Euro». Ein Reporter von der «Welt» bat Drosten um eine Stellungnahme dazu – vergebens. In der «Süddeutschen Zeitung» vom 26.7.2024 ** bestritt Christian Drosten, dass er den Textentwurf zurückgehalten habe. Möglicherweise sei da im RKI etwas falsch aufgefasst oder berichtet worden, sein Text sei Tage später in der «Zeit» veröffentlicht worden.

4. RKI-Leiter Wieler schwieg öffentlich auch, als es um die Schulschliessungen ging. Ende Februar 2020 kehrte ein RKI-Mitarbeiter aus China zurück, wo er sich ein Bild der Lage machen konnte. Im Protokoll steht:

«Kinder 2 Prozent der Fälle in grosser Studie, Kinderkrankenhaus bestätigt alle ohne Komplikationen; […] Schulen, Kitas stehen nicht im Vordergrund, Kinder keine wichtigen Glieder in Transmissionsketten; Rolle der Kinder eher untypisch untergeordnet (anders als Influenza), mehr Studien müssen erfolgen.»

RKI-Protokoll

 Am 11. und 12. März 2020 hielt der RKI-Expertenrat

«Schulschliessungen nur in besonders betroffenen Gebieten für sinnvoll».

RKI-Protokoll

Ebenfalls am 12. März hob der Virologe Christian Drosten im «NDR»-Podcast den Nutzen von Schulschliessungen hervor – mit Verweis auf eine Studie zur Influenza (Grippe). Hatte Drosten tags zuvor noch verkündet «Das bringt nicht so viel», machte er nun eine Kehrtwende um 180 Grad. «Der Virologe Drosten schien nun für Schulschliessungen zu sein» und er habe den Ministern und der deutschen Kanzlerin empfohlen «schnell zu handeln», fand «Der Spiegel» heraus.*

Am 13. März 2020 vermerkt das RKI-Protokoll:

«Herr Spahn [der damalige Gesundheitsminister – Anm. d. Red.] hat angeordnet, dass eine Passage zu Schulschliessungen in die Kriterien für die Risikoeinschätzung von Grossveranstaltungen eingefügt wird.»

RKI-Protokoll

Am 16. März 2020 mussten alle Schulen in Deutschland schliessen. «Deutschland hatte mit die längsten Schulschliessungen in ganz Europa», sagte Bastian Barucker, der die RKI-Protokolle mit dem Fokus auf die Kinder sichtete. Im April 2020 sei dann in einem RKI-Protokoll mit Verweis auf eine Übersichtsarbeit zu lesen gewesen:

«Schulschliessungen haben vermutlich keinen grossen Einfluss auf die Kontrolle der Epidemie gehabt.» 

RKI-Protokoll

Auch im Herbst 2021 sei das RKI dabei geblieben, dass von jüngeren Kindern nur sehr selten Infektionsketten ausgingen.

Politisches Kalkül statt epidemiologischer Beurteilung

Selbst die «Süddeutsche Zeitung», die während der Corona-Pandemie eine regierungsfreundliche Haltung einnahm, berichtete jüngst über «Patzer in der Pandemie». So habe die deutsche Regierung im Sommer 2020 eine Reisewarnung für die Türkei aus rein politischen Gründen aufgehoben. Die Türkei hatte darum gebeten – und für die deutsche Regierung war es offenbar wichtiger, diese Bitte zu erfüllen, als auf den Rat ihrer RKI-Berater zu hören, die sich wegen der Infektionslage sorgten.

5. Auch am Beispiel der Kinderimpfung zeigt sich, wie die Politik eingriff und ihre wissenschaftlichen Experten überging. Auszug aus dem RKI-Protokoll: 

«Pädiatrische Fachverbände stehen der Impfung von Kindern zurückhaltend gegenüber. Politik bereitet bereits Impfaktionen vor, damit die entsprechenden Jahrgänge zum Ferienende geimpft sind. […] In vielen Regionen der Welt fehlen Impfstoffe, hier werden Gruppen ohne/mit sehr geringem Risiko geimpft.»

RKI-Protokoll

Zur Erinnerung: In der Schweiz wollte die Eidgenössische Kommission für Impffragen EKIF die Covid-Impfung Jugendlicher im Sommer 2021 nicht empfehlen. Doch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bestand darauf, dass die EKIF eine Empfehlung für Heranwachsende aussprach (Infosperber berichtete). 

6. Die Experten am RKI stellten am 8. Januar 2021 fest:

«Es sind keine Ausbrüche bekannt, die von Reinfizierten ausgehen, diese scheinen nicht den gleichen Beitrag zur Gesamtausbreitung zu haben wie Erstinfizierte.»

RKI-Protokoll

Und weiter: Es gebe keine Belege, dass einmal Genesene wesentlich zur Virusübertragung beitragen würden:

«Quarantänepflichtausnahme kann für diese bestehen bleiben. Das gleiche für Geimpfte zu behaupten ist nicht möglich, diese sollten weiterhin keinen Sonderstatus erhalten.»

RKI-Protokoll

Trotzdem entschied die Politik, dass Genesene das Covid-Zertifikat nur für eine Dauer von sechs Monaten erhielten. 

Dabei sei bereits im Februar 2021 klar gewesen, sagte der österreichische Wissenschaftler Stefan Pilz im Interview mit Infosperber, dass «Genesene gegenüber den Geimpften einen ähnlichen Schutz haben. Auch war bereits damals eindeutig gezeigt worden, dass die Immunität nach einer Sars-CoV-2-Infektion länger als sechs Monate anhält.»

Zur Erinnerung: Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit behauptete noch Ende Juni 2021: «Es gibt keine Hinweise für eine längere Schutzdauer als sechs Monate bei genesenen Personen.» Die nationale Covid-19-Science-Taskforce pflichtete dem BAG damals bei und unterstützte den Entscheid, Genesene gegenüber Geimpften beim Covid-Zertifikat zu benachteiligen.

7. Aya Velázquez, Stefan Homburg und Bastian Barucker fanden weitere Beispiele in den RKI-Protokollen, wie Politiker die beratenden Wissenschaftler rechts überholten. Im Oktober 2021 etwa habe der deutsche Gesundheitsminister «die doppelte Impfung von Genesenen nahegelegt. Hierzu liegen unserem Fachgebiet und der WHO noch keine Daten vor», habe im Protokoll gestanden. 

«Die Forderungen nach der Booster-Impfung – zumindest das kann man gut beweisen in den Protokollen – kamen zunächst von Pfizer und der Politik und nicht aus der Wissenschaft», sagte Velázquez und zitierte aus dem Protokoll vom 30. Juli 2021: Die Boosterimpfung werde «vor allem von Politik und Pfizer gefordert. Bisher nicht ausreichend Daten vorhanden.»

Journalistin Aya Velázquez
Die freie Journalistin Aya Velázquez an der von ihr einberufenen Medienkonferenz am 23. Juli 2024.

8. «Die schlimmste Stelle in diesen Protokollen» nannte Professor Stefan Homburg eine vom 19. März 2021:

«Jetzt 12 Fälle mit Sinusvenenthrombose: alle 12 Frauen nach Impfung mit Astra Zeneca, alle < 55 Jahre, auffälliges Cluster.»

RKI-Protokoll

Norwegen habe die Impfung mit dem Impfstoff von Astra Zeneca ausgesetzt. Es gebe «viele Fälle mit arteriellen Thrombosen in anderen Ländern». Die Meldestellen für Impfnebenwirkungen in Deutschland «kommen nicht gut hinterher», beim Paul-Ehrlich-Institut seien «am Montag 1600 Meldungen» eingegangen, was möglicherweise aber an der erhöhten Aufmerksamkeit liege. Die Europäische Arzneimittelbehörde habe entschieden, der Impfstoff sei sicher, einige Länder Europas hätten anders entschieden.**

Zwei Wochen später gehe aus dem RKI-Protokoll hervor, dass die Wahrscheinlichkeit einer Sinusvenenthrombose auch bei Männern erhöht sei, und zwar 20-mal so hoch wie sonst, berichtete Homburg. Die Experten wussten also um das erhöhte Risiko, auch bei Männern. 

Die Bevölkerung wurde skeptisch gegenüber dem Astra Zeneca-Impfstoff – und die Politiker krempelten die Ärmel hoch: Am 1. April 2020 schrieb das «Deutsche Ärzteblatt»: «Bundespräsident Steinmeier mit Astra Zeneca geimpft.» Eine Woche danach titelte «Der Spiegel»: «Karl Lauterbach hat sich mit Astra Zeneca impfen lassen.» Mitte April schrieb das «Deutsche Ärzteblatt»: «Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Scholz mit Astra Zeneca geimpft.» Und Mitte Mai in der «Ärztezeitung»: «Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich am Freitag gegen Corona impfen lassen – wie er sagt, ganz bewusst mit Astra Zeneca.»

«Man hat die Leute ins Messer laufen lassen», findet Homburg. Die naheliegende Erklärung: Politiker hätten riesige Mengen Impfstoff bestellt, die Bevölkerung zögerte angesichts der möglichen Nebenwirkungen jedoch, sich damit impfen zu lassen. Mit der Werbeaktion sollten die Befürchtungen zerstreut werden. 

«Ministerieller Weisung muss nachgekommen werden»

Nicht immer fügte sich das RKI jedoch sang- und klanglos den Anordnungen der Minister. Im Protokoll vom 21. Mai 2021 etwa wurde die Frage aufgeworfen: «Kann das RKI (das sich als Public Health-Institut der WHO nahe fühlt) eine kontroverse Meinung haben (zur Regierung, die hier eventuell eine Einzelmeinung vertritt)? Es werden intensive Diskussionen innerhalb des Instituts geführt zur Freigabe der Impfstoff-Patente.» 

Deutschland wie auch Bill Gates, der dem RKI 2019 und 2021 insgesamt rund 750’000 US-Dollar spendete, stemmten sich bekanntermassen erfolgreich gegen die Patenfreigabe.

Im September 2021 liess das RKI gar juristisch prüfen, ob es an die Weisungen des Gesundheitsministers gebunden sei. Das Fazit:

«Aktuelle Einschätzung: Ministerieller Weisung muss seitens des RKI nachgekommen werden.»

RKI-Protokoll

Video der Pressekonferenz vom 23. Juli 2024

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*Drosten distanzierte sich im Juni 2024 vom Vorwurf, er habe im Frühling 2020 zu flächendeckenden Schulschliessungen geraten, und sagte der «Welt»: Das «war reine Politik, in die ich nicht involviert war». Allerdings wies «Der Spiegel» auf eine erstaunliche Begebenheit hin: Als nach vierwöchigen Schulschliessungen in Deutschland Forderungen laut wurden, die Schulen wieder zu öffnen und eine wichtige Konferenz der Minister anstand, «machte Drosten etwas, das er selbst eine ‹Blitzaktion› nannte, eine ‹grobe, schnell gemachte Studie›, die er «innerhalb von ein paar Stunden geschrieben» habe. «Er fasste darin die Ergebnisse mit dem Satz zusammen: Kinder könnten genauso infektiös wie Erwachsene sein», berichtete «Der Spiegel». Die Botschaft Drostens sei von der Charité falsch kommuniziert worden. Die Schulen blieben danach in Deutschland weiterhin geschlossen. Auch in einem Gerichtsgutachten plädierte Drosten für die schützende Wirkung von Schulschliessungen. Sein Gutachten wurde von mehreren Experten und einer medizinischen Fachgesellschaft als unzureichend und mangelhaft kritisiert Infosperber berichtete).
**nachträglich ergänzt


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Weiterführende Informationen

(Quelle: Infosperber) Link zum Originalpost

Süssgetränke: Die britische Zuckersteuer wirkt

Daniela Gschweng /  Die Briten konsumierten schon nach einem Jahr mit der Soft-Drink-Steuer weniger Zucker, zeigt eine Auswertung.

Seit April 2018 gibt es in Grossbritannien die Zuckersteuer für Süssgetränke. Forschende der Universität Cambridge haben untersucht, wie diese den Zuckerkonsum der Britinnen und Briten beeinflusst hat.

In den ersten elf Monaten nach der Einführung nahmen sowohl Kinder als auch Erwachsene deutlich weniger Zucker zu sich als vorher, resümiert die im Magazin «Epidemiology & Community Health» veröffentlichte Studie. Der Zuckerkonsum sank jedoch schon, als die Steuer 2016 angekündigt wurde.

Mehrere Gramm Zucker weniger jeden Tag

Die Studie basiert auf repräsentativen Gesundheitsdaten von 7999 Erwachsenen und 7656 Kindern in Grossbritannien aus den Jahren 2011 bis 2019. Die Forschenden fanden heraus, dass während dieser Jahre der Zuckerverbrauch anfangs stetig sank.

Die Ankündigung der Zuckersteuer 2016 verstärkte den Trend deutlich. In den ersten elf Monaten nach ihrer Einführung konsumierten Kinder täglich rund 5 Gramm weniger zugesetzten Zucker, als nach der Fortschreibung der Daten zu erwarten gewesen wäre. Erwachsene nahmen 11 Gramm weniger Zucker zu sich. Nur etwa die Hälfte davon, nämlich 3 Gramm (Kinder) und 5 Gramm (Erwachsene) stammte aus Softdrinks.

GB-Zuckersteuer-Zeit-Zuckerkonsum
Konsum zugesetzten Zuckers aus Lebensmitteln bei britischen Erwachsenen (li.) und Kindern (re.) in Gramm pro Tag. Die Zuckersteuer in Grossbritannien trat im April 2018 in Kraft. Schon bei der Ankündigung der Steuer 2016 fiel der Zuckerkonsum deutlich.

Die britische Zuckersteuer, die so genannte Soft Drinks Industry Levy (SDIL), besteuert Erfrischungsgetränke gestaffelt nach Zuckergehalt:

  • Für Getränke mit einem Zuckergehalt von weniger als fünf Gramm pro 100 Milliliter wird keine Steuer erhoben.
  • Für Getränke, die zwischen 5 und 8 Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten, beträgt die Abgabe 18 Pence pro Liter (21 Cent oder 20 Rappen).
  • Für Getränke mit mehr als 8 Gramm Zucker pro 100 Milliliter Getränk kostet der zugesetzte Zucker pro Liter 24 Pence (29 Cent, 28 Rappen).

Die empfohlene Zuckerzufuhr übertrifft fast jeder

Grossbritannien hat diese Abgabe eingeführt, weil das Land ein gewichtiges Problem hat. 2021 hatten über drei Fünftel (64 Prozent) aller Erwachsenen Übergewicht. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt waren es 2019 etwas mehr als die Hälfte.

Einer der Gründe ist der hohe Zuckerkonsum. Besonders deutlich ist dieser Effekt bei Heranwachsenden. Die WHO und der wissenschaftlichen Beirat für Ernährung Grossbritanniens, SACN, empfehlen: Zugesetzter Zucker soll nur 5 Prozent der Kalorien in der Ernährung ausmachen.

Die britischen Gesundheitsbehörden empfehlen pro Tag maximal 30 Gramm Zucker für Erwachsene, 24 Gramm für Kinder bis 10 Jahre und 19 Gramm für Kinder bis 6 Jahre. Die Schweizer Empfehlung ist mit 50 Gramm für Erwachsene und 30 Gramm für Kinder grosszügiger. Sie richtet sich nach der empfohlenen WHO-Höchstmenge.

Empfehlung praktisch kaum einzuhalten

30 Gramm Zucker sind etwa drei Esslöffel Zucker, knapp 7 Stück Würfelzucker in der Schweiz oder 10 Stück Würfelzucker in Deutschland, wo Zuckerwürfel etwas kleiner sind.

In der Praxis konsumieren die meisten Menschen mehr Zucker. Ein Liter Coca-Cola enthält bereits 106 Gramm Zucker, eine Tafel Schokolade kann mehr als 50 Gramm enthalten, sogar ein einzelnes Joghurt kann die 30-Gramm-Grenze überschreiten. Auch vielen Lebensmitteln, die gar nicht süss schmecken, wird Zucker zugesetzt.

Heranwachsende in Grossbritannien nähmen etwa 70 Gramm Zucker pro Tag zu sich, schreiben die Autoren der Studie aus Cambridge. Eine wesentliche Quelle sind Süssgetränke. Bei britischen Kindern machten diese nach einer Studie von 2015 schon ein Drittel der Zuckerzufuhr aus.

Messbare gesundheitliche Erfolge

Wegen der Soft-Drink-Abgabe reduzierten Getränkehersteller den Zuckergehalt ihrer Produkte deutlich. «Enthielten 2015 noch fast 50 Prozent der im Supermarkt angebotenen Getränke mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter, waren es 2019 nur noch 15 Prozent», berichtet die deutsche «Tagesschau».

Die gesundheitlichen Erfolge seien messbar. Eine andere Studie der Universität Cambridge lege nahe, dass die Zuckersteuer Fettleibigkeit bei zehn- und elfjährigen Mädchen um acht Prozent verringert habe.

Auch die Zahngesundheit von Kindern verbesserte sich. Als Folge der Zuckersteuer wurden bis 2020 in Grossbritannien 12 Prozent weniger Minderjährige zum Ziehen von Zähnen ins Spital eingewiesen. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei Kindern bis vier Jahren.

Laut «table.media» erheben bereits mehr als 100 Länder eine Steuer auf zuckerhaltige Erfrischungsgetränke. Die WHO empfiehlt eine Zuckersteuer in Höhe von mindestens 20 Prozent.


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Weiterführende Informationen

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«Es wäre schön, wenn es für Spitäler ein Ampelsystem gäbe»

Urs P. Gasche /  Die Qualität der Behandlungen ist für die Öffentlichkeit schwer zu beurteilen. Dazu der medizinische Direktor des Inselspitals.

Infosperber: Herr Professor Fiedler, gegenwärtig sind Sie ärztlicher Leiter des Medizinbereichs innere Medizin der Insel-Gruppe. Sie leiten zudem das Zentrum für Labormedizin, sind oberster Verantwortlicher für die ärztliche Nachwuchsförderung, für die Aus- und Weiterbildung der Ärzte und mitverantwortlich für die Anstellung des Topkaders. Überdies sind Sie auch noch zuständig für das Qualitätsmanagement. – Kommt bei dieser Aufgabenfülle die Kontrolle der Qualität der Behandlungen nicht zu kurz?

Martin Fiedler: Ich muss diese Aufzählung relativieren. Die ärztliche Endverantwortung haben die jeweiligen Klinikdirektorinnen und Klinikdirektoren. Die Anstellungen des Topkaders erfolgen durch die Universität Bern. Ich bin ex officio Mitglied der Berufungskommission und habe dabei nur eine Stimme[1]. Die Qualität der Behandlungen und die Patientensicherheit haben einen extrem hohen Stellenwert. Das automatisierte und moderne Zentrum für Labormedizin, für das ich verantwortlich bin, hat seit Längerem das höchste Qualitäts-Niveau, das es gibt. Auch in anderen Bereichen haben Qualitätsindikatoren und Transparenz die höchste Priorität.

Bereits im Jahr 1996 gab das Krankenversicherungsgesetz KVG dem Bundesrat die Kompetenz, «systematische wissenschaftliche Kontrollen zur Sicherung der Qualität» durchzuführen. Der Bundesrat delegierte – aus meiner Sicht sträflicherweise – seine Kompetenz an die Ärzteschaft und die Spitäler. Wie steht es aus Ihrer Sicht fast dreissig Jahre später um die wissenschaftlich erfasste Qualitätssicherung in Spitälern?

Ich kann nur für die Insel-Gruppe sprechen. Wir tun heute extrem viel. Das beweisen viele Qualitäts-Zertifizierungen. Ein interdisziplinäres Monitoring bei schweren Fällen ist bei uns Standard. Wir liefern dem Nationalen Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ) Messergebnisse. 

Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Haben die Spitäler seit 1996 die gesetzliche Vorgabe erfüllt und die Qualität mit «systematischen wissenschaftliche Kontrollen» erfasst?

Ich schaue ungern nach hinten, sondern lieber nach vorne. Ich bin einverstanden, dass wir rasch Fortschritte erzielen müssen. Im Inselspital sind wir schon sehr weit. Früher wurden Patientinnen und Patienten von einer fachspezifischen Abteilung in eine andere verschoben. Das Spital war – historisch gewachsen – in hierarchischen Silos organisiert. Die Patientinnen und Patienten mussten diese Silos durchlaufen. Heute dagegen sind klare Patientenpfade definiert vom Eintritt bis zur Operation und den Anschlussbehandlungen. 

Dazu haben wir am 2. März 2024 als erste universitäre Spitalgruppe im deutschsprachigen Raum das neue Klinikinformations- und Steuerungssystem KISS des Software-Herstellers Epic eingeführt. Es verbindet alle Fachbereiche und Berufsgruppen. Wir übernehmen damit in der digitalen Medizin eine Vorreiterrolle. Alle Behandelnden haben Zugang zu sämtlichen Daten, was die Qualität und die Sicherheit der Behandlung erhöht. 

Auch die Patientinnen und Patienten selber haben mit einer Gratis-App Zugang zu den eigenen Gesundheitsinformationen und können zum Beispiel auch Behandlungstermine online verwalten. Zuweisende Hausärztinnen und Hausärzte sowie Spezialistinnen und Spezialisten können sich registrieren und klinische Befunde sowie Labortests einsehen, Behandlungstermine online abrufen und Patientinnen und Patienten zum Spital zuweisen.

In der Schweiz erhalten jedes Jahr fast 50’000 Frauen und Männer zum ersten Mal ein neues Knie- oder Hüftgelenk. Manche Orthopäden interessieren sich nicht mehr für ihre Patientinnen und Patienten, nachdem diese das Spital verlassen haben. Ob und wie sich die Implantate und die gewählten Operationsmethoden nach einem oder nach fünf Jahren bewähren, scheint manchen Chirurgen egal zu sein. Ich kenne Leute, die sich im Inselspital operieren liessen und nachher nie mehr etwas vom Chirurgen oder vom Spital hörten. Wo bleibt die Qualitätskontrolle?

Das Interesse der Chirurginnen und Chirurgen ist bestimmt da. Sie schauen die Nachversorgung an. Eine systematischere Nachkontrolle wäre jedoch sicher zu begrüssen.

Josef E. Brandenberg erklärte im Jahr 2007 als Präsident des Chirurgenverbands FMCH an einer Pressekonferenz: Das neue Register SIRIS für Implantate werde es erlauben, «erstmals Qualitätsvergleiche zwischen Produkten, Spitälern und opererierenden Ärztinnen und Ärzten zu machen».
Wo finden Interessierte heute diese Qualitätsvergleiche?

Der ANQ verarbeitet und veröffentlicht die SIRIS-Daten…

…aber nur die Fallzahlen der Spitäler, nicht die Fallzahlen der Chirurgen, wie von Brandenberger vor 17 Jahren versprochen.

Bei hochspezialisierten Operationen stehen immer ganze Teams im Einsatz. Entscheidend ist deshalb, wie häufig ein Eingriff in einem Spital vorgenommen wird. Das ist auf der ANQ-Homepage öffentlich einsehbar.

Trotzdem ist es für die Öffentlichkeit sehr schwierig herauszufinden, welches Spital für bestimmte Eingriffe bessere Behandlungsresultate aufweist als andere.

Es wäre schön, wenn es ein Ampel- oder Sternesystem gäbe. [Red. In den USA beispielsweise vergeben die Centers for Medicare & Medicaid Services wie bei Hotels fünf Sterne unter Berücksichtigung von Mortalität, Sicherheit, ungeplante Nachbehandlungen, Patientenbeurteilung und zeitnahe und effektive Behandlung.]

Ganz clevere Chirurgen beteiligen sich finanziell an Firmen, welche Implantate herstellen. Oder sie profitieren von geldwerten Leistungen, wenn sie ein bestimmtes Gelenk-Fabrikat bevorzugen. Der Fall des Berner Star-Orthopäden Max Aebi ist noch in Erinnerung. Er besass Kaufoptionen auf Aktien der Firma, die das von ihm propagierte Implantat herstellte. Das Implantat zerbröselte mit der Zeit. 
Frage: Ist heute garantiert, dass kein Chirurg mehr Aktien oder Kaufoptionen einer Herstellerfirma hält oder von einer Herstellerfirma sonstwie finanziell profitiert?

Das Inselspital würde solche Interessenkonflikte nicht tolerieren. Alle Nebentätigkeiten und -einkünfte müssen deklariert werden, so dass solche Interessenkonflikte sichtbar würden. Verstösse würden disziplinarisch sanktioniert.

Nach dem Einsetzen von Knie- oder Hüftprothesen erfassen manche Spitäler vor und nach der Operation und bis zu fünf Jahren nach der Operation mit standardisierten Fragebogen, wie beweglich die Operierten wieder werden. Solche Fragebogen, PROMs genannt (Patient Reported Outcome Measurements) sind einsetzbar bei neuen Knie- oder Hüftgelenken, bei Wirbelsäulenoperationen, bei Herzoperationen, Dickdarmoperationen oder Organtransplantationen.
Ich habe das Inselspital gebeten, mir Kopien der verwendeten Fragebogen zu schicken. Vergeblich.

PROMs werden heute in der Insel-Gruppe dezentral in den jeweiligen Kliniken erfasst. Eine zentrale Koordination der verschiedenen Fragebogen wird im Rahmen des neuen Klinikinformations- und Steuerungssystems KISS geprüft. Beiliegend der PROM-Fragebogen, den die Wirbelsäulenchirurgie verwendet.  

Die Hirslanden-Spitäler haben in Bern ein Prothetikzentrum eröffnet, wo die Behandlungsresultate mit diesen international etablierten Fragebögen kontrolliert werden. Die Patienten füllen diese PROMs für künstliche Knie– und Hüftgelenke vor der Operation und bis fünf Jahre nach der Implantation eines Knie- oder Hüftgelenks mehrmals aus. Warum verwendet das Inselspital nicht die gleichen PROMs? Dann könnte die Behandlungsqualität der Insel mir derjenigen des Hirslandenzentrums und anderer Spitäler verglichen werden.

Wichtig ist, dass man solche PROMs überhaupt braucht und auswertet.
Doch wir müssen in der Schweiz zu vergleichbaren Standardisierungen kommen. Das unterstütze ich voll und ganz. Beispielsweise beteiligt sich die Insel-Gruppe am Pilotprojekt OpenPROMS, welches von der Eidgenössischen Qualitätskommission finanziert ist (Red. Pilotprojekt zur sektorübergreifenden Implementierung eines vollständigen, international etablierten und validierten PROMs-Sets für relevante Krankheiten und Operationen). Wobei klar ist, dass dies nicht bei allen Behandlungen möglich und das Erfassen von vergleichbaren Daten sehr herausfordernd ist.

Ein Qualitätsindikator ist ja auch die Häufigkeit ungeplanter Nachbehandlungen. Nach dem Einsetzen von Hüft- und Knieprothesen in den Jahren 2017 bis 2020 musste man im Inselspital im Zeitraum von zwei Jahren nach den Operationen mehr als doppelt so viele Revisions-Operationen machen wie im Durchschnitt der Schweizer Spitäler.  

Bei uns im Inselspital ist die Orthopädieabteilung gleichzeitig für die Unfallchirurgie zuständig. Wir haben hier im Inselspital auch das zentrale Traumazentrum. In Zürich beispielsweise verteilen sich die Notfälle im Gegensatz zu Bern auf verschiedene Spitäler. In Bern werden die meisten elektiven (nicht notfallmässigen) Knie- und Hüftprothesen in Spitälern mit privater Trägerschaft eingesetzt und nicht im Inselspital. Im Gegensatz zu früher erfassen wir heute die Komplexität der Fälle, so dass dies bei kommenden Vergleichen klar ersichtlich ist.

Nach Operationen des Dickdarms (Colon) kam es im Inselspital zu 160 Prozent mehr Infektionen als im Durchschnitt der Schweizer Spitäler. Alle anderen Universitäts- und Kantonsspitäler schnitten deutlich besser ab. Nach Dickdarm-Operationen war das Infektionsrisiko im Inselspital schon in den Jahren 2017 bis 2018 und 2019 bis 2020 signifikant grösser als in anderen Universitäts- und Kantonsspitälern. Das erweckt den Eindruck, dass man nicht genügend Massnahmen ergriffen und deshalb Patientinnen und Patienten fahrlässig gefährdet hatte.

Dieser Eindruck ist falsch. Es sind die gleichen Operationsteams, die für Dickdarm und Mastdarm (Rectum) zuständig sind. Würden diese Teams systematisch ungenügende Qualität liefern, müsste es auch nach Mastdarm-Operationen zu ungewöhnlich vielen Infektionen kommen. Bei den Mastdarm-Operationen hatten wir jedoch nie eine überdurchschnittliche Infektionsrate. 
Die hohen Infektionsraten bei den Dickdarm-Operationen sind darauf zurückzuführen, dass wir im Inselspital überwiegend schwere Fälle behandeln. Die «normalen» Fälle gehen in Bern in andere Spitäler. Das geht aus den erfassten Komplikations- und Risikokriterien der eingelieferten Patientinnen und Patienten klar hervor.

Warum ist denn der ANQ nicht in der Lage, diese erfassten Risikofaktoren beim Vergleich der Infektionsraten zu berücksichtigen?

Der ANQ erklärt selber, dass unterschiedliche Infektionsraten nichts mit der medizinischen Qualität zu tun haben müssen. Die Risikofaktoren sind eben nicht ausreichend erfassbar. Im Inselspital behandeln wir eine Selektion von besonders schweren Fällen. Wir haben extrem viel unternommen, um Infektionen auch bei diesen schweren Fällen zu vermeiden. Der Vorwurf, wir hätten auf die Statistik des ANQ zu wenig reagiert, ist nicht berechtigt.

Der Erfolg oder Misserfolg der einzelnen Operationsmethoden kann mit folgenden Daten erfassst werden – alle unter Berücksichtigung von Alter und bestehenden Grunderkrankungen:

  1. Wieviel Prozent der PatientInnen sind nach Wirbelsäulenoperationen gelähmt?
  2. Wieviel Prozent müssen ein zweites Mal nicht geplant operiert werden?
  3. Wie lange geht es bis zur vollen Arbeitsfähigkeit?
  4. Wie viele physische Beeinträchtigungen bleiben bestehen?

Erfasst das Inselspital diese Resultate der Behandlungen?

Seit zwei oder drei Jahren erfasst das SIRIS-Register ausgewählte Rückenoperationen. Verpflichtend sind folgende Eingriffe: Spondylodesen im lumbalen Bereich (Red. Versteifungen der Wirbelsäule im Lendenbereich), Vertebroplastik (Red. Gebrochener Wirbel wird mit Knochenzement stabilisiert) und die Kyphoplastik (Red. Minimal-invasives Verfahren zur Therapie von Wirbelfrakturen der mittleren und unteren Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule).
Die Neurochirurgie und die Orthopädie sind da involviert.

Kommen wir zu vermeidbaren Pannen und Fehlern. Vor vier Jahren hat die Swissmedic das Inselspital gebüsst, weil dieses in den Jahren 2016 und 2017 fast hundert «schwerwiegende Vorkommnisse» der Swissmedic nicht gemeldet hatte. Es habe sich «um äusserst gravierende Ereignisse gehandelt, die allesamt zu schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen bis hin zum Tod führen könnten». Es ging u.a. um Hüftprothesen, Stents und Herzpumpen. Auch hier hat die Führung des Inselspitals nicht sofort für Remedur gesorgt. Im rechtskräftigen Strafbefehl vom Jahr 2020 hiess es: «Das vorliegende Strafverfahren verdeutlicht, dass nach wie vor schwerwiegende Vorkommnisse, welche das Leben oder die Gesundheit einer Vielzahl von Patienten unmittelbar gefährden oder gefährden könnten, nicht gemeldet werden.»
Warum wurde das Inselspital damals zu einer Wiederholungstäterin? Ist heute garantiert, dass «schwerwiegende Vorkommnisse» lückenlos gemeldet werden?

Die Insel-Gruppe hat die Mängel sehr ernst genommen und geeignete und wirkungsvolle Korrekturmassnahmen ergriffen. Heute ist der Prozess der Vigilanz von Medizinprodukten in der Insel-Gruppe etabliert, und die Pflicht, (potentiell) schwerwiegende Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Medizinprodukten an Swissmedic zu melden, wird adäquat umgesetzt.
Auch der Vigilanz von Blutprodukten (Hämovigilanz) und Arzneimitteln (Pharmakovigilanz) misst die Insel-Gruppe grosse Bedeutung bei. (Ausführliche Antwort in Fussnote[2])

Jetzt zu falschen finanziellen Anreizen: Die Finanzen eines Spitals sehen besser aus, wenn Ärzte kompliziertere Diagnosen stellen als nötig. Oder wenn Chirurgen eilig – oder voreilig – operieren, statt abzuwarten. Stimmen Sie dieser Diagnose zu?

Nein, wirklich nicht. Am Inselspital haben wir heute fixe Löhne. Und wir haben eher zu wenig Operationssäle, so dass bei uns sicher nicht zu häufig operiert wird.

Angestellte Chirurgen sollen keinerlei finanzielle Zuschläge erhalten, wenn sie häufiger operieren. Sind Sie damit einverstanden?

Ja. Solche Zuschläge gibt es bei uns nicht. Wir haben wie gesagt fixe Gehälter. 

Jetzt geht es noch um vermeidbare Pannen und Irrtümer. Die Folgen sind längere Spitalaufenthalte, Komplikationen und Nachbehandlungen. Vor zehn Jahren (2014) erklärte das BAG: «Jeder zehnte Spitalpatient erleidet einen gesundheitlichen Schaden und die Hälfte dieser Schäden wäre vermeidbar.» Das sind 2000 bis 3000 vermeidbare Todesfälle pro Jahr und rund 60’000 vermeidbare gesundheitliche Schadensfälle. Im Jahr 2020 musste Gesundheitsökonom Heinz Locher erneut feststellen: «Wir haben in der Schweiz noch 2000 vermeidbare Todesfälle.» 
Dies, obwohl es in Schweizer Spitälern schon lange das Meldesystem CIRS gibt: Pannen und Fast-Pannen oder das Nichteinhalten von Hygienefehlern werden zentral gemeldet, um Massnahmen ergreifen zu können. Ist dieses Meldesystem unzureichend?

Die genannten Zahlen zur Schweiz wurden von WHO-Zahlen abgeleitet. Ich weiss nicht, woher Herr Locher seine Zahlen hat. Ich kann für das Inselspital sprechen: Unser Meldesystem ist äusserst sensitiv. Das Personal kann vermutete Fehler oder Unterlassungen anonym melden, so dass es keine Nachteile befürchten muss.

Bei der Wartung von Flugzeugen werden Pannen und Fehler viel akribischer verfolgt und es wird schneller daraus gelernt als bei Pannen und Fehlern in Spitälern. Kann ein Grund sein, dass bei einem Flugzeugabsturz auch der Pilot und die Flugzeug-Crew tot sind, während die Chirurgen und ihre Teams in Spitälern stets am Leben bleiben?

Ärztinnen, Ärzten und Pflegenden geht es sehr nahe, wenn Fehler passieren. Es geht um Beziehungen von Mensch zu Mensch. Auch gibt es in Spitälern keine Hierarchien mehr wie früher, welche einer Fehlervermeidungskultur hinderlich waren. Unsere Mechanismen, um aus Beinahepannen und Fehlern zu lernen, sind sehr gut implementiert.


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FUSSNOTEN
[1] Das Anstellungsverfahren ist aufwendig und geschieht wie folgt:
«Eine Berufungskommission bestehend aus dem Dekan, dem ärztlichen Direktor, FachkollegInnen, VertreterInnen des Mittelbaus, der Pflege und der Gleichstellung wählen nach einem Symposium, Interviews sowie Gutachten von externen Kolleginnen und einem Assessment i.d.R. drei potentielle Kandidatinnen aus und rangieren diese. Dieses Votum muss dann von der Fakultätsleitung und dem Fakultätskollegium bestätigt werden. Dann wird der Wahlvorschlag der Universität übergeben. Die Universitätsleitung muss dann ebenfalls die Wahl bestätigen. Sie eröffnet die Verhandlung mit der/dem erstplatzierten Kandidatin/Kandidaten. Die eigentliche Verhandlung erfolgt dann mit dem Dekan und dem ärztlichen Direktor, wobei ersterer die Belange in Forschung & Lehre, letzterer die klinischen Angelegenheiten verhandelt. Zum Abschluss erhält die/der gewählte Kandidatin/Kandidat einen Arbeitsvertrag von der Universität und eine Vereinbarung über die Fach- & Führungskomponente vom ärztlichen Direktor. Nur diese Vereinbarung unterzeichne ich gemeinsam mit der HR-Direktorin und dem CEO. Der eigentliche Anstellungsvertrag wird von der Rektorin unterzeichnet.» 

[2] Weitere Erläuterungen des Inselspitals:
«Der Strafbescheid bezieht sich auf die Jahre 2016 und 2017. Es ist so, dass die Meldequalität betreffend Vorkommnissen mit Medizinprodukten mangelhaft war. Die Insel Gruppe hat die Mängel sehr ernst genommen und geeignete und wirkungsvolle Korrekturmassnahmen ergriffen. Heute ist der Prozess der Vigilanz von Medizinprodukten in der Insel Gruppe etabliert, und die Pflicht, (potentiell) schwerwiegende Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Medizinprodukten an Swissmedic zu melden, wird adäquat umgesetzt. Wir haben diesbezüglich positive Rückmeldungen von Swissmedic erhalten, beispielsweise zu den getroffenen Massnahmen.
Die Insel Gruppe legt nicht nur grossen Wert auf die Vigilanz von Medizinprodukten. Auch der Vigilanz von Blutprodukten (Hämovigilanz) und Arzneimitteln (Pharmakovigilanz) misst die Insel Gruppe grosse Bedeutung bei. Die Insel Gruppe hat beispielsweise seit 2017 die klinische Pharmakologie in der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin aufgebaut.
Der Insel Gruppe ist es wichtig, bestehende Prozesse im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses stets zu optimieren und die Qualitätsentwicklung voranzutreiben. Die Vigilanz von Medizinprodukten, Blutprodukten und Arzneimitteln ist ein herausforderndes und komplexes Thema, das eine kontinuierliche Sensibilisierung der Anwenderinnen und Anwender, Wiederholung der Schulungen sowie unablässige Unterstützung durch die Direktion verlangt, damit sämtliche meldepflichtigen Vorkommnisse korrekt gemeldet werden.»


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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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SUVs und Pick-ups sind für Fussgänger das grössere Risiko

Daniela Gschweng /  Fahrzeuge mit höherer Front sehen nicht nur aggressiv aus. Sie sind es auch, zeigen Messungen aus den USA.

Seit 2009 ist die Zahl der getöteten Fussgänger in den USA um 80 Prozent gestiegen. Ein Trend, der parallel zur Verbreitung grösserer Fahrzeuge wie SUVs und Pick-ups verläuft. Der Zusammenhang wurde bereits mehrmals unter verschiedenen Aspekten untersucht.

Einer der Gründe ist das höhere Gewicht. Autos werden auch allgemein seit Jahren schwerer. Andere sind die Geschwindigkeit beim Aufprall und die Grösse des toten Winkels. Mit rücksichtlosem Verhalten des Lenkers hat es ausnahmsweise nur wenig zu tun, zeigte eine Untersuchung der deutschen Versicherer 2011.

«Ein SUV schlägt höher ein»

Die Gruppe der jungen Raser war in der SUV-Unfallstatistik nur spärlich vertreten. Aber: «Ein SUV schlägt höher ein», zitiert die «Süddeutsche Zeitung» 2017 den Leiter der Unfallforschung der deutschen Versicherer, Siegfried Brockmann.  

Diesen Aspekt hat eine neue Studie aus den USA nun gezielt untersucht. Die im «Journal of Safety Research» veröffentlichte Studie analysierte, wie gefährlich das Fahrzeugdesign für Fussgänger ist.

Hohe und stumpfe, hohe und abgeschrägte sowie mittelhohe und stumpfe Frontpartien führen demnach häufiger zu tödlichen Verletzungen als niedrige und flache Motorhauben. Das gilt vor allem für Kinder.

Risikofaktor 1: Hohe Fahrzeugfront

Die Forschenden des Insurance Institutes for Highway Safety (IIHS) analysierten rund 17’000 Unfälle aus sieben US-Bundesstaaten seit 2017, die zwischen einem einzelnen Auto und einem einzelnen Fussgänger stattgefunden hatten. Sie erfassten Masse der Fronten von rund 3000 Fahrzeugmodellen, darunter Autos, SUVs, Minivans und Pick-ups.

Eine wichtige Rolle für die Schwere des Unfalls spielt demnach die Höhe der Fahrzeugfront, die vor allem bei Kindern Augenhöhe oder höher erreichen kann. Das sieht nicht nur gefährlich aus, sondern ist es auch.

Je höher die Motorhaube ist, desto mehr Kopfverletzungen gibt es, unabhängig von der Form der Front. Und je höher das Fahrzeug relativ zur Grösse der Unfallopfer war, umso schwerer waren laut Studie die Verletzungen.

Fussgänger, die von einem Fahrzeug mit niedriger Front angefahren werden, rollen normalerweise über die Motorhaube ab. Beim Zusammenstoss mit einer höheren Fahrzeugfront würden sie eher zu Boden gestossen oder nach vorne geschleudert und schlügen mit dem Kopf auf dem Boden auf, erläutern die Autor:innen. Auch das Risiko für Rumpf- und Beckenverletzungen steige.

Risikofaktor 2: Vertikale Fahrzeugfront

Ein anderer massgeblicher Faktor ist die Neigung der Fahrzeugfront. Fahrzeuge, deren Front fast senkrecht zur Strasse steht, verursachten mehr Brustverletzungen und schleuderten die Fussgänger beim Aufprall eher nach vorne.

Eine kurze Motorhaube, ein grosser Motorhaubenwinkel, ein grosser Windschutzscheibenwinkel und eine breite Windschutzscheibe andererseits verringerten das Risiko von tödlichen oder schweren Kopfverletzungen bei Fussgängern.

Verglichen mit einem Personenwagen, dessen Motorhaube höchstens 76 Zentimeter (30 Zoll) über dem Boden aufragt und dessen Kühlerpartie weniger als 65 Grad geneigt ist, sind Fahrzeuge mit hohen und stumpfen Profilen bei Zusammenstössen deutlich tödlicher.

In Zahlen: Fahrzeuge mit hohen und stumpfen Fronten erhöhten das Risiko tödlicher Verletzungen um 43,6 Prozent im Vergleich zu der niedrigen und geneigten Front. Bei hohen und geneigten Fronten stieg das Risiko um 45,4 Prozent. Bei mittelgrossen und stumpfen Fronten ergab sich eine Steigerung von 25,6 Prozent.

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Das Risiko, dass ein Zusammenstoss für einen Fussgänger tödlich ist, steigt mit der Höhe und fällt mit der Neigung der Fahrzeugfront. SUVs sind gegenüber Mittelklasselimousinen deutlich tödlicher. 30 Zoll entsprechen rund 76 Zentimetern, 40 Zoll etwa 102 Zentimetern.

Längere Motorhauben und grössere Windschutzscheibenwinkel hätten zwar ebenfalls eine Risikozunahme gezeigt, jedoch keine signifikante.

Die höhere Front mache SUVs auch gefährlicher für Velofahrende, weil sie diese tendenziell weiter oben treffe, stellte das IIHS im vergangenen Jahr ebenfalls fest.

Bedeutung für die Fahrzeughersteller

Die Ergebnisse der Studie liefern Hinweise darauf, wie Automobilhersteller ihre Fahrzeuge für Fussgänger sicherer gestalten können. Die Forschenden empfehlen niedrigere und stärker geneigte Fahrzeugfronten, um das Risiko tödlicher Verletzungen bei Zusammenstössen mit Fussgängern zu senken.


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Foodwatch kritisiert Alete-Zuckerbomben für Kinder

Daniela Gschweng /  Der Kindersnack «Obsties» von Alete enthält 72 Prozent Zucker. Dafür gab’s den «Goldenen Windbeutel» für dreiste Werbelügen.

«Obsties» sind süss, schmackhaft, gesund und der Nachwuchs fliegt darauf. Das sagt zumindest Alete beziehungsweise seine Testerinnen auf der Homepage. Ein traumhaftes Lebensmittel für Eltern und Kinder.

«Besonders toll an den kleinen Snacks finde ich, dass sie zu 100% natürlich sind», sagt Alete-Testerin Annihny. Das sei «Naschen für die Kleinen ohne schlechtes Gewissen». Auf der bunten Packung der «Obsties Erdbeer-Banane mit Joghurt» tummeln sich zwei putzige Mäuse beim Obstgenuss.

Vermeintlich gesunder Snack ist eine Zuckerbombe

Die Konsumentenorganisation Foodwatch sieht das anders. Sie hat die Fruchtsnacks für Kinder ab drei Jahren Anfang Juli mit dem «Goldenen Windbeutel» ausgezeichnet. Und zwar, weil der Hersteller Deutsches Milchkontor «Obsties» als Teil der Serie «Alete bewusst» und mit den Attributen «bio» sowie «ohne Zuckerzusatz» bewirbt. Dabei enthält der Kindersnack 72 Prozent Zucker.

Foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel seit 2009 jedes Jahr für besonders dreiste Werbelügen. Dazu lässt die Organisation Konsument:innen unter mehreren Produkten abstimmen. Von mehr als 55’000 Abstimmenden gaben 57 Prozent «Obsties» ihre Stimme.

Aufkonzentrierter Fruchtzucker ist so ungesund wie Zuckerwürfel

Der in den süssen Kaubonbons enthaltene Zucker stammt aus Apfelsaftkonzentrat. Das ist Apfelsaft, dem das meiste Wasser entzogen wurde. Apfelsaftkonzentrat enthält sehr viel Fruchtzucker, ist ein Bestandteil des Produkts und gilt nicht als «zugesetzter Zucker».

Das mache es allerdings nicht besser, kritisiert Foodwatch. Fructose sei in seinen Auswirkungen nicht besser als Saccharose (Haushaltszucker). Beide begünstigten Übergewicht, Diabetes und Karies. Eine Untersuchung über die Zeit der Zuckerrationierung in Grossbritannien stellte darüber hinaus fest, dass viel Zucker im Kindesalter gesundheitliche Folgen für das ganze Leben haben kann (Infosperber berichtete).

In «Alete Obsties» ist so viel Zucker, dass sie eigentlich gar nicht «für Kinder» beworben werden dürften. Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zumindest. Konsumentenschutz- und Gesundheitsorganisationen kritisieren ausserdem seit Langem die vielen zulässigen Bezeichnungen für verschiedene Zuckerarten.

Das Deutsche Milchkontor macht geltend, dass «keine Zutat für eine süssende Wirkung» eingesetzt werde und verweist auf die empfohlenen Portionsgrössen der «Obsties». Zudem sei auf der Verpackung angegeben, dass diese von Natur aus Zucker enthielten. Ob das die Kinder von Alete-Testerin Conny, die «die Tüte total begeistert verschlungen haben», interessiert?

«Obsties» sind kein Einzelfall

Alete wurde damit bereits zum dritten Mal mit dem Negativpreis ausgezeichnet. Die beiden bisherigen «Auszeichnungen» 2014 und 2017 gingen an ein Alete-Lebensmittel für Säuglinge und eines für Kinder.

Alete ist damit aber kein Einzelfall. Zuckerbomben, deren Werbung auf Kinder zielt, gibt es bei vielen Herstellern und Marken. Apfelsaftkonzentrat ist bei vielen Lebensmittelherstellern beliebt, da es als «natürlicher» Zucker wahrgenommen wird. Mit einem frischen Apfel hat es aber nur noch wenig zu tun. Foodwatch fordert schon lange, dass die Politik endlich wirksame Werbebeschränkungen für Kinder-Lebensmittel einführt.

«Nichts Neues», sagt auch das Konsumentenmagazin «Öko-Test» und verweist auf einen umfassenden Artikel zu Zucker in Kinderprodukten. Die Hersteller tricksten gerade bei Kinder-Lebensmitteln immer wieder und versuchten, den Geschmack der Jüngsten schon früh auf Süsses zu eichen. Ist das einmal geschehen, ist diese Vorliebe nur sehr schwer wegzubekommen. Das fange bei der Beikost an und höre beim Joghurt auf.

Foodwatch: «Der Schmähpreis wirkt»

Der Goldene Windbeutel habe schon einiges geleistet, führt Foodwatch an. Hersteller wie Rewe änderten ihre Werbung für «klimaneutrale» Pouletbrust, stellten gleich ganze Produktlinien ein oder nahmen Produkte vom Markt, so Hipp einen übersüssen Kindertee.

Foodwatch könne aber nicht jede Werbelüge zur Abstimmung stellen. Es brauche mindestens bessere Kennzeichnungsregeln. Konsument:innen würden abgezockt, weil in Berlin der politische Wille fehle, gegen Werbelügen vorzugehen, sagt Foodwatch-Wahlleiterin Rebekka Siegmann.

Und sonst? Zuckrige Diätriegel und Pilzsuppe fast ohne Pilze

Dass es noch einiges zu tun gibt, zeigen die anderen vier 2024 nominierten Produkte. Darunter eine Gemüsesuppe fast ohne Gemüse, eine profitgeschrumfte Glace-Packung und eine vegane Wurst aus Öl.

Zucker gab’s dieses Jahr auch für Erwachsene. Nominiert war unter anderen der Riegel «Pretty Little Meal Bar». Laut Hersteller Famous Brands GmbH ist dieser ein Ersatz für eine Hauptmahlzeit, für Diäten geeignet und enthält alle wichtigen Nährstoffe. 25 Prozent Zucker sind dabei offensichtlich mitgezählt. Foodwatch zitiert Diana Rubin, Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin und Diabetologie des Vivantes Humboldt Klinikums, deren Urteil eindeutig ausfällt: «Ein Riegel, der ungesunde Ernährungsweisen aufgrund von Zucker, Fett, künstlichen Aromen und hoher Energiedichte fördert, ist nicht zum Abnehmen geeignet.»

Weiter ging’s mit «Heisse Tasse Champignon Creme», die nur 1,5 Prozent Champignons und Champignonextrakt enthält, dazu 0,5 Prozent anderes Gemüse. Der Grossteil des Rests ist modifizierte Kartoffelstärke, Palmöl und Glukosesirup. Dazu kommt Hefeextrakt, der den Geschmack des kümmerlichen Pilzanteils verstärkt, sowie Aromen. Den Hinweis «ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe» darf der Hersteller GB Foods trotzdem anbringen, weil beides als Zutat gilt und nicht als Zusatzstoff. Ob das den Konsument:innen auch klar ist?

«Langnese Cremissimo Bourbon Vanille» von Unilever hat es mit Shrinkflation auf die Nominierungsliste geschafft. In einer Packung sind seit Anfang Jahr nur noch 900 Milliliter Glace statt vorher 1300 Milliliter. Der Preis blieb gleich. Laut Unilever «eine Antwort auf die steigende Nachfrage nach kleineren Produktvarianten in unserem Sortiment».

Mit dabei war auch «Schinken Spicker», die vegane Mortadella der Rügenwalder Mühle. «Schinken Spicker» basiere «auf Sonnenblumenkernen», gibt der Hersteller an – die zu zwei Prozent enthalten sind. Eigentlich sollte es heissen «auf Basis von Rapsöl», sagt die deutsche Verbraucherzentrale. Wurst bestehe nun einmal grösstenteils aus Fett. Rügenwalder Mühle will laut Foodwatch den Aufdruck «auf Basis von Sonnenblumenkernen» in «mit Sonnenblumenprotein» ändern.

Die bisherigen Windbeutel-Gewinner und -Nominierten sind hier aufgeführt: (Wikipedia-Link).


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Horw – gewappnet gegen Cyberangriffe?

Hans Stampfli glaubt, dass die Horwer Verwaltung in Sachen Informationssicherheit einen guten Job mache. (Bild: Archivbild: Emanuel Ammon/Aura)

Wie gut ist die Gemeinde Horw gewappnet gegen Cyberangriffe und Vorfälle im Gemeindehaus? Das will Hans Stampfli (SVP) wissen. Er hat eine entsprechende Interpellation eingereicht.

Täglich lese man in der Presse und auf einschlägigen Websites, dass vertrauliche Informationen im Darknet landen oder verschlüsselt werden. Gleichzeitig würden Cyberkriminelle versuchen, die Besitzer der Daten zu erpressen. Das schreibt Hans Stampfli, Horwer Einwohnerrat (SVP) in einer neuen Interpellation.

Themen

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Etliche Corona-Massnahmen waren entweder unnötig oder schädlich

Detlev H. Krüger / Klaus Stöhr /  Im Umgang mit Seuchenausbrüchen gibt es wissenschaftliche Regeln. Bei Corona hat man sich oft nicht daran gehalten.

Red. – Dieser Beitrag erschien zuerst in der «Berliner Zeitung».

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Die Covid-19-Pandemie hat tief in das Leben aller Menschen eingegriffen – wobei dieser Eingriff nicht nur durch die Infektionskrankheit selbst, sondern auch durch die Massnahmen der Regierung erfolgte. Die Herausforderungen durch die schnelle, weltweite Verbreitung eines neuen, für einige Bevölkerungsgruppen sehr gefährlichen Virus waren enorm und mussten von den politischen Verantwortlichen gemeistert werden.

Wenn heute eine Aufarbeitung der damaligen Vorgänge gefordert wird, sollte das vorrangige Ziel dabei sein, Lehren für den gesellschaftlichen Umgang mit grossen Infektionsausbrüchen (z.B. durch Influenzaviren) zu ziehen, die auch in der Zukunft nicht auszuschliessen sind. Selbstverständlich sollte es aber auch darum gehen, als fehlerhaft erkannte Entscheidungen zurückzunehmen, wenn dies noch möglich ist.

Bei der öffentlichen Diskussion der staatlichen «Corona-Massnahmen» dominieren gegenwärtig zwei Fragen:

Welche der Massnahmen haben die Übertragung des Virus wirksam reduziert, und welche der Massnahmen waren in dieser Hinsicht wenig wirksam oder sogar wirkungslos?

Wie war das Verhältnis von gesundheitlichem Nutzen und kollateralen Schäden der Massnahmen, zum Beispiel in Bezug auf die physische und psychische Gesundheit, auf Wirtschaft, Kultur und die freiheitlich-demokratische Gesellschaft insgesamt?

Für eine umfassende Analyse sollten jedoch zwei weitere Punkte hinzukommen:

Erstens: War wirklich die Reduktion der Virusübertragung am wichtigsten, oder sollte nicht eher die Reduktion der Krankheitslast für die Bevölkerung das Ziel gewesen sein?

Zweitens: Waren ab einem bestimmten Zeitpunkt des mehrjährigen Infektionsgeschehens sogar die «wirksamen» Massnahmen zumindest für junge und gesunde Menschen unnötig, weil sie die Ausbildung einer notwendigen Gruppenimmunität in der Bevölkerung verzögerten und damit das Pandemie-Geschehen eher verlängerten?

Eigentlich gibt es Regeln zum Umgang mit Seuchenausbrüchen

Die Bekämpfung neu auftretender Infektionskrankheiten erfolgt in einem abgestuften Prozess mit den drei Kernelementen:

1. Containment (Eindämmung)

2. Protection (Schutz der Vulnerablen)

3. Mitigation (Folgenminderung).

In der ersten Phase des Ausbruches wird eine Eindämmungsstrategie verfolgt mit dem Ziel, die weitere Ausbreitung des Erregers von den primären Ausbruchsorten so weit wie möglich zu verhindern oder wenigstens noch zu verlangsamen.

Da sich bei Pandemien die Verbreitung nicht komplett stoppen lässt, muss man gleichzeitig auch den Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen (bei Covid-19 sind dies insbesondere alte und vorerkrankte Menschen) beginnen (Protection), der dann zum zentralen Bestandteil der Bekämpfung werden sollte, wenn die Verlangsamung der Ausbreitung nicht mehr ausreichend gelingt. Das Containment wird schrittweise wirkungslos nach der einsetzenden freien Zirkulation des Erregers, weil die Infektionsketten nicht mehr wirksam nachzuverfolgen sind.

Die Autoren dieses Artikels

Professor Dr. med. Detlev H. Krüger war von 1989 bis 2016 Direktor des Instituts für Virologie der Charité Berlin. Er wirkte gleichzeitig viele Jahre unter anderem als Vorstand der Gesellschaft für Virologie, Stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Paul-Ehrlich-Instituts (Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) sowie als Editor-in-Chief der Fachzeitschrift „Virus Genes“ (Verlag Springer-Nature, New York).

Professor Dr. Klaus Stöhr arbeitete von 1992 bis 2007 im Hauptquartier der WHO in Genf unter anderem als Koordinator der globalen Sars-Forschung, als Pandemiebeauftragter der WHO und leitete über viele Jahre das Globale Influenzaprogramm der WHO. Sein internationales Team entdeckte das Sars-CoV-1-Virus. Ab 2007 arbeitete er in der Forschung und Entwicklung von Impfstoffen bei Novartis und später in der Firmenzentrale in Basel. Seit 2018 ist er freier Konsultant.

Während des gesamten Ausbruches muss eine Folgenminderungsstrategie (Mitigation) Teil der Überlegungen sein, um die gesundheitlichen Auswirkungen des Infektionsgeschehens so weit wie möglich zu minimieren und gleichzeitig die Kollateralschäden für die Gemeinschaft und das soziale Leben möglichst gering zu halten. Unbekannt waren diese Prinzipien des Seuchenschutzes nicht; wurden sie doch noch am 13. Februar 2020 im Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts bekräftigt.

Dass das Containment auch noch im Winter 2020/21 aufrechterhalten wurde, obwohl die Ausbreitung gar nicht mehr effizient verlangsamt werden konnte, war vielleicht noch verständlich, da der Impfstoff noch nicht zur Verfügung stand. Aber auch in den Folgemonaten und -jahren konnte man sich nicht entschliessen, das massive Containment aufzugeben, und hat die Kollateralschäden der Massnahmen für die Gesellschaft billigend in Kauf genommen.

Trugschluss Zero Covid

Mehr noch, in der Politikberatung durch «die» Wissenschaft setzte sich eine gefährliche Meinung durch: Basierend auf theoretischen Modellrechnungen wurde postuliert, man könne die Infektionsrate entscheidend senken oder das Virus sogar «ausrotten», wenn man die Containment-Massnahmen nur einmal richtig verschärfen würde; danach könne man mit geringem Aufwand die Infektionsrate weiter niedrig halten oder sogar gegen Null bringen (Zero-Covid).

Diese Idee beruhte jedoch auf einem Trugschluss: Da sich so keine Immunität in der Bevölkerung entwickeln könnte, würde jede «Lockerung» des strengen Regimes sofort zu einem rasanten Wiederaufflammen des Infektionsgeschehens führen. Dies haben auch die Vorgänge in China nach Beendigung der massiven Freiheitsbeschränkungen gezeigt.

Jeder Verweis auf die etablierten Methoden zur Seuchenbekämpfung wurde reflexartig als Infragestellen der Massnahmen und ihrer Sinnhaftigkeit gewertet und zog einen medialen Sturm der Entrüstung nach sich.

Dabei war von Anfang an klar, dass zum Beispiel das Infektionsrisiko an frischer Luft äusserst gering ist (man brauchte also eigentlich keine Senioren von Parkbänken zu verjagen oder den Kindern ihre Spielplätze zu sperren), dass bei rapider Infektionsausbreitung die sogenannte «Kontaktnachverfolgung» durch überlastete Gesundheitsämter nicht zu schaffen ist (und diese Ressourcen nicht nur bei der Umsetzung der Hygienekonzepte in den Alten- und Pflegeheimen fatal fehlen würden), oder dass das Coronavirus als Atemwegsvirus nicht durch Desinfektion von Tischen in Gaststätten bekämpft werden kann. Die Liste der Beispiele liesse sich beliebig fortsetzen.

Dass entsprechend den Regeln des Seuchenschutzes vor allem die Vulnerablen geschützt werden müssten (Protection/Mitigation), wurde nicht akzeptiert – die Vulnerablen sollten im Zuge eines allgemeinen Lockdowns der Gesellschaft gewissermassen «mitgeschützt» werden.

Der allgemeine Lockdown (also ein «Dauer-Containment») besonders in den Sommermonaten hatte aber nicht nur die bekannten tragischen Konsequenzen für die Gesellschaft, sondern führte auch dazu, dass zum Beispiel die Winterpeaks noch stärker wurden, weil sich die gegen das Virus schützende Immunität besonders bei den Kindern nur verlangsamt ausbildete.

Das Virus passte sich an den Wirt an und wurde infektiöser, aber harmloser

Alle Viren machen bei ihrer Vermehrung in der Wirtszelle «Fehler», ihr Erbmaterial erleidet Veränderungen (Mutationen). Ob sich die neuen genetischen Varianten (Mutanten) in der Umwelt durchsetzen, hängt davon ab, ob sie besser als ihre Vorgänger vermehrungsfähig sind und der Immunabwehr des Wirts entgehen.

Bei Wechsel eines Virus vom Tier auf den Menschen werden sich also solche Mutanten durchsetzen, die sich besonders gut an die Vermehrung im Menschen angepasst haben. Das Virus wird damit «infektiöser» und breitet sich in der Bevölkerung effizienter aus, gleichzeitig ist es für den neuen Wirt in der Regel weniger krankmachend. Deshalb bestand von Anfang an die berechtigte, aber leider weitgehend unberücksichtigte Forderung, die Gefährlichkeit des Virus und des Infektionsgeschehens nicht an der «Infektionsinzidenz», sondern an der wirklichen Krankheitslast in der Bevölkerung festzumachen.

Stattdessen wurde jeder Nachweis von neuen Virusmutanten in Patienten (oder sogar im Abwasser) in den Medien kolportiert und der Bevölkerung als Begründung für die Aufrechterhaltung oder sogar Verschärfung der «Corona-Massnahmen» präsentiert: Berater der Bundesregierung sind in diesen Tenor mit eingefallen.

Spätestens das Auftreten der Omikron-Varianten des Virus ab Anfang 2022 ging aber mit einer deutlich geringeren Krankheitslast der Coronavirusinfektion für den Menschen einher. Die sich effizient in der Bevölkerung ausbreitenden Omikron-Varianten haben dazu geführt, dass eine Infektion grösserer Bevölkerungsgruppen mit einem geringeren Anteil von schweren klinischen Fällen auftrat. Dies resultierte in der natürlichen «Durchimmunisierung» breiter Teile der Bevölkerung – und führte damit zum Ende des herausragenden Infektions- und Krankheitsgeschehens der Pandemie und zum schrittweisen Übergang in das gegenwärtige endemische Geschehen.

Das Sars-Coronavirus-2 wird, genau wie die bereits beim Menschen zirkulierenden weiteren Coronaviren, auch in Zukunft für einen Teil der jährlichen Atemwegsinfektionen verantwortlich bleiben. Wir werden mit ihm leben können, so wie wir mit vielen anderen Viren leben.

In dieser Situation wurde übrigens erneut deutlich, wie wichtig eine Unterscheidung zwischen «an Corona» und «mit Corona» Erkrankten oder sogar Verstorbenen gewesen wäre, die leider nicht erfolgt ist: Durch Infektion mit dem sich effizient ausbreitenden Virus waren viele Patienten, die wegen Verkehrsunfall, Herzinfarkt oder aus vielen anderen medizinischer Gründe in die Klinik kamen, beim Routinetest positiv für Corona gefunden worden und gingen als «Covid-19-Fälle» in die Statistik ein, ohne dass die Infektion ursächlich für die Hospitalisierung oder gar den Tod war. Über die Verzerrung der Statistiken kann man nur spekulieren.

Die Impfung – entwicklungstechnische Tempoleistung und Politikum

Die Entwickler der schnell fertiggestellten Impfstoffe zielten darauf ab, die Zahl schwerer Krankheitsverläufe zu reduzieren. Dies war für ältere und vorerkrankte Personen von grosser und zum Teil lebensrettender Bedeutung. Die Verhinderung von Re-Infektionen oder gar der Virusausscheidung nach Infektion waren keine erreichbaren Zielstellungen für die Impfstoffentwicklung.

Es war immer klar, dass die Impfung die Weitergabe des Virus von Mensch zu Mensch nicht entscheidend zu blockieren vermag: Die Impfung führt also zu einem gewissen Eigenschutz des Geimpften gegenüber der Erkrankung, nicht aber zu signifikantem Fremdschutz. Ursache dafür ist, dass ein injizierter Impfstoff nicht zur sterilen Immunität führt, da er wegen der Umgehung des Atmungstraktes keine ausreichende Schleimhaut-Immunität erzeugen kann.

Dennoch wurde das Thema Impfung politisch massiv aufgeladen und jeder Mensch, der die wiederholte Impfung ablehnte (aus welchen Gründen auch immer, zum Beispiel wegen schwerer Nebenwirkungen bei der Erstimpfung) mit Begriffen wie «unsolidarischer Pandemietreiber» diskreditiert. Gleichzeitig wurde massiver Impfdruck aufgebaut, beispielsweise durch die noch gut bekannte «2G (Geimpft/Genesen)-Regelung» als Voraussetzung zur Teilnahme am öffentlichen Leben.

Rhetorisch fokussierte sich die Politik unverständlicherweise nicht auf die von der Impfung profitierenden Älteren und Vulnerablen, sondern besonders auf die Menschen, für die die Impfung nur einen marginalen gesundheitlichen Nutzen hatte: Jugendliche und junge Erwachsene. Behauptet wurde auch, dass die Impfung die Virusweitergabe «viel besser» verhindere als die durchgemachte Infektion (also der Status «Genesen»), obwohl jeder Medizinstudent lernt, dass die Vielfalt und Zusammensetzung der Proteinabschnitte des kompletten Virus im Organismus eine umfassendere Immunantwort hervorruft, als ein einzelnes Protein dies vermag.

Seit den alten Griechen ist bekannt, dass Arzneimittel Nebenwirkungen haben. Nicht umsonst bedeutet das Wort «Pharmakon» Arzneimittel und Gift zugleich. Trotz gegenteiliger Behauptungen fachfremder Politiker (wie auch von «Experten») war also von Anfang an klar, dass die Impfstoffe nicht «nebenwirkungsfrei» sein können. Heute fühlen sich viele Patienten mit Impfschäden alleingelassen, da sie den Eindruck haben, dass ihre Probleme nach dem Prinzip «Weil nicht sein kann, was nicht sein darf» ignoriert werden. So wie es dringend notwendig ist, die Ursachen von Langzeitfolgen nach der Covid-19-Erkrankung (Long Covid) besser zu verstehen und den Patienten wirksamer zu helfen, sollte dies ganz genauso für die Patienten mit Impfkomplikationen (PostVac-Syndrom) gelten.

Kinder: vom Virus wenig betroffen, aber umso mehr durch die Massnahmen

Bei Kindern verläuft die Infektion mit dem Sars-Coronavirus-2 in der Regel ohne Symptome oder nur mit leichter Erkrankung. Glücklicherweise sind schwere Verläufe sehr, Todesfälle durch die Infektion gar extrem selten. Anders als bei Infektionen mit dem Influenzavirus, bei denen Kinder eine Risikogruppe für schwere Erkrankungen darstellen, ist dies für das Coronavirus nicht der Fall.

All diese Tatsachen waren schon Anfang 2020 durch das Berichtsystem der Kinderkliniken und Daten aus China bekannt. Spätestens Ende 2020 lagen dazu auch solide Daten aus Deutschland vor und es war zudem klar, dass Kindergärten und Schulen keine «Hotspots» der Virusausbreitung waren, sondern Infektionen hier eher durch Erwachsene hineingetragen wurden.

Dennoch wurde kaum eine andere Bevölkerungsgruppe stärker mit Corona-Massnahmen überzogen. Kinder haben durch Isolation, Mangel an sozialer Teilhabe und Bildungsdefizite grossen Schaden genommen, psychische und körperliche Erkrankungen sind bei ihnen deutlich angestiegen.

Es war befremdlich zu erleben, dass kaum eine staatliche Organisation oder Lehrergewerkschaft, die dem Schutz der Kinder verpflichtet sein sollten, sich für deren Interessen einsetzte. Auch die Justiz tat es selten: So wurde die von einem der Autoren gutachterlich unterstützte Klage von Berliner Eltern auf Schulöffnung im Frühjahr 2021 vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

Als letztes Argument für Schulschliessungen und all die anderen restriktiven Massnahmen wurde angeführt, dass infizierte Kinder zwar kaum selbst erkranken, aber doch ihre Grosseltern gefährden könnten. Das Einfordern einer «Solidarleistung» der Kinder lag auch dem Ansinnen zugrunde, an Kindern Corona-Impfungen vorzunehmen.

Dies war nicht nur sachlich schwer begründbar, sondern auch moralisch fragwürdig: Bei der Nutzen-Risiko-Abwägung für die durch das Virus kaum gefährdeten Kinder überwiegt das Risiko durch die Anwendung von nur kurz erprobten, bedingt zugelassenen Impfstoffen. Und selbst wenn es berechtigt wäre, von den Kindern eine «Solidarleistung» für die Gesellschaft zu verlangen: Die Impfung schützt gar nicht effektiv vor Virusweitergabe.

Warum endete die Pandemie?

Die Ausbreitung eines neuen, hochinfektiösen Virus wird begrenzt, wenn ein genügend grosser Anteil der Bevölkerung gegen dieses Virus eine solche Immunität entwickelt hat, die die Weitergabe des Virus verhindert oder erschwert – wodurch Infektionsketten unterbrochen werden. Es entwickelt sich dann ein sogenanntes endemisches Geschehen: Da die Immunität nicht alle Personen umfasst und in ihrer Stärke und Dauer Veränderungen unterliegt, zirkuliert das Virus auf niedrigem Niveau dauerhaft weiter, mit den bekannten saisonalen Peaks im Winter.

Die Re-Infektionen verlaufen dann in der Regel viel milder, bleiben häufiger unentdeckt, können aber selten – besonders bei Vulnerablen – auch schwer verlaufen. Ein solches endemisches Geschehen existiert für Infektionen durch andere humane Corona- oder Atemwegsviren schon seit langem.

Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte stand während einer Pandemie ein Impfstoff in grossem Massstab zur Verfügung. Damit konnten schwere Krankheitsverläufe besonders bei den Vulnerablen oft vermieden und sicherlich auch viele Todesfälle verhindert werden. Eine ausreichende Immunität zum Übergang von der Pandemie mit den weit verbreiteten Ausbrüchen und schweren Verläufen in der Bevölkerung zur sogenannten Endemie konnte im Falle von Covid-19 allein durch die Impfung aber nicht wirksam erreicht werden, sondern es bedurfte auch der natürlichen Infektion mit dem Virus.

Die Corona-Pandemie endete für Deutschland nicht durch staatliche «Lockdown-Massnahmen», sondern – im Gegenteil – weil das Virus schlussendlich einen Grossteil der Bevölkerung infizierte. Diese Virusausbreitung in der Bevölkerung vollzog sich glücklicherweise ohne extreme Krankheitslast für die Menschen: Mit dem Auftreten der Omikron-Virusvarianten, die gegenüber den primären Varianten des Sars-Coronavirus-2 eine abgeschwächte Krankheitslast bedingten, sowie durch die bereits erfolgte Impfung grosser Teile der krankheitsanfälligen Risikogruppen verlor das Virus weitgehend seine Schrecken.

Dass man 2020 in der bedrohlichen Situation am Anfang der Pandemie mit möglichst vielen Mitteln die Ausbreitung des Virus und die Überlastung der Kliniken zu verhindern suchte, war richtig und verständlich. Danach hätte man sich aber schneller auf an die Situation angepasste und wirklich wirksame Massnahmen zur Protection/Mitigation konzentrieren müssen, um die massiven gesellschaftlichen Kollateralschäden abzumildern. Die sture Weiterführung der Massnahmen bis in das Jahr 2023 führte lediglich (soweit eine Reduktion der Übertragung des Virus bewirkt wurde) zu einer verzögerten Ausbreitung der für das Ende der Pandemie notwendigen Immunität in der Bevölkerung.

Fazit

Auch in der Zeit der Corona-Krise gab es nicht «die» eine Wissenschaft, die der Politik eindeutige Handlungsempfehlungen geben konnte, sondern ein Spektrum wissenschaftlicher Meinungen. Unverständlich bleibt, wieso das etablierte Wissen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten nicht nur von den tonangebenden Grundlagenwissenschaftlern und Politikberatern negiert wurde, sondern auch die Meinung von Fachgesellschaften (wie z.B. der Hygiene und der Kinder- und Jugendinfektiologie) in den Wind geschlagen wurde.

Wissenschaft lebt vom freien Austausch der Erkenntnisse und Ansichten; sie erleidet Schaden, wenn dieser Austausch mit der Behauptung einer «Alternativlosigkeit» und der Suggestion einer absoluten Wahrheit eingeengt werden soll.

Der wissenschaftliche Diskurs in der Corona-Zeit war keinesfalls zu breit oder gar «verwirrend», sondern wurde in Allianz mit Politik und Medien sehr einseitig dominiert. Es gibt deshalb zur Besorgnis Anlass, wenn nun von einzelnen Wissenschaftlern in Deutschland ein «wissenschaftliches Sprechmandat in der Öffentlichkeit» gefordert wird oder im geplanten «Pandemieabkommen» der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine «effektive Informationskontrolle zur Bekämpfung von Fehl- und Desinformationen» angestrebt wird.

Heute ist leider klar, dass etliche der in den Corona-Jahren von der Politik verordneten (und von «der» Wissenschaft wärmstens empfohlenen) Massnahmen entweder unnötig waren oder mehr Schaden als Nutzen gestiftet haben. Es würde sicherlich dem gesellschaftlichen Frieden dienen, wenn die wegen Verstosses gegen Corona-Vorschriften ausgesprochenen Strafen und Berufsverbote für die betroffenen Mitbürger noch einmal überprüft würden.

Was tun bei möglichen zukünftigen gefährlichen Pandemien? Hier einige Vorschläge: Schaden und Nutzen der einzelnen Massnahmen besser gegeneinander abwägen; Erhebung der relevanten Daten zur Einschätzung des Infektionsgeschehens und der Krankheitslast; evidenzbasierte Entscheidungen statt Abhängigkeit von der Deutungshoheit medienaffiner Politiker; Politikberatung durch eine breitere Gruppe von Experten verschiedener Wissens- und Erfahrungsgebiete; sachliche Information der Bevölkerung statt Schüren von Angst und Hysterie. Auch Pandemien dürfen den Rechtsstaat nicht ausser Kraft setzen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Pandemie-Ursprung: Was wir bisher wissen und was nicht

Mark Woolhouse /  Was die neuen Erkenntnisse zum Ursprung von Sars-CoV-2 aus Sicht eines Epidemiologen für Infektionskrankheiten bedeuten.

Red. – «Sars-CoV-2 stammt vermutlich von Wildtieren», berichteten diverse Medien jüngst mit Berufung auf eine neue Studie (Infosperber berichtete). Dazu nimmt Mark Woolhouse nun Stellung. Der Autor dieses Gastbeitrags ist Professor für Epidemiologie für Infektionskrankheiten an der Universität Edinburgh. Sein Artikel erschien zuerst bei «The Conversation». Infosperber veröffentlicht die deutsche Übersetzung (Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion).

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Der Streit über den Ursprung von Covid war schon immer sehr lebhaft, aber inzwischen gleicht er mehr einer Schlägerei als einer wissenschaftlichen Debatte.

Nach Ansicht einiger Experten entstand die Corona-Pandemie auf dem Markt für lebende Tiere in der chinesischen Stadt Wuhan. Andere halten dagegen: Sars-CoV-2 (das Virus, das Covid verursachte) sei aus einem nahe gelegenen Labor entwichen, das Forschung mit ähnlichen Viren betrieben hat. Beide Szenarien sind plausibel.

In jüngster Zeit haben sich die Vertreter der [Tier-]Markthypothese sehr lautstark zu Wort gemeldet. Im anonymen Leitartikel einer führenden medizinischen Fachzeitschrift war im August die Rede von der «Hybris, die nötig ist, um alternative Hypothesen zu verfechten», und von «fantasievollen Ideen, die besser in triviale Spielfilme passen». 

Ein Kommentar in einer anderen Zeitschrift beklagte, Wissenschaftler würden schikaniert, wenn sie die Hypothese eines Laborunfalls ablehnten. Mit atemberaubender Scheinheiligkeit attackierte derselbe Kommentar dann aber eine Nachwuchswissenschaftlerin, welche die Laborhypothese vertritt, indem er ihre Argumentation als «Mutmassungen, Korrelationen und Anekdoten» abkanzelte.

Merkwürdigerweise keine Proben, bevor der Markt in Wuhan geschlossen wurde

Es besteht zumindest Einigkeit darüber, dass auf dem Markt von Wuhan das Virus zu finden war. Proben, die Anfang Januar 2020 von Marktständen und Abflüssen genommen wurden, enthalten genetisches Material von Sars-CoV-2. Die Zeitschrift «Cell» veröffentlichte kürzlich eine Analyse dieses Materials, die zeigen soll, dass die Viren auf dem Markt und die Viren der Pandemie beide von einem gemeinsamen Ursprungs-Virus abstammten.

Das klingt überzeugend, bis man realisiert, dass all diese erst Proben Wochen nach Beginn der Pandemie genommen wurden, und dass keine einzige von einem lebenden Tier stammte. Merkwürdigerweise wurden auch keine Proben genommen, bevor der Markt geschlossen und die Tiere vernichtet wurden. Vor allem aus diesem Grund halten die meisten Kommentatoren, ich eingeschlossen, die jüngsten Ergebnisse für hinweisend, aber nicht endgültig

Es ist ein Problem, dass keine Proben von Tieren vorliegen. Niemand glaubt daran, dass das Virus in Wuhan selbst entstanden ist. In der Natur kommen Sars-ähnliche Coronaviren bei Hufeisenfledermäusen vor, doch im Umkreis von 1500 km um Wuhan wurden keine infizierten Kolonien gefunden.

Die Viren, die auf dem Markt gefunden wurden, müssen also von irgendwoher dorthin gebracht worden sein. Aber in den Lieferketten der dort verkauften Tiere war kein Sars-CoV-2 zu finden.

Vielleicht hat nicht ein Tier, sondern ein Mensch Ende 2019 das Virus auf den Markt gebracht? Das ist durchaus möglich. Viele Viren, die der Ursprungsvariante sehr ähnlich sind, stammten von Menschen ohne jegliche Verbindung zum Markt von Wuhan. Einige, darunter ein Cluster aus der Provinz Guangdong, stammten nicht einmal aus Wuhan.

Ein plausibler alternativer Infektionsweg

Trotz der vielen Ungewissheiten und unbeantworteten Fragen wäre es viel einfacher, die Markthypothese zu akzeptieren, wenn die Pandemie 2020 in einer der hunderten (oder möglicherweise tausenden – das scheint niemand genau zu wissen) anderen chinesischen Städte mit ähnlichen Märkten begonnen hätte. 

Auch das ursprüngliche Sars-Coronavirus ([Sars-CoV-1 – Anm. d. Red.], ein sehr naher Verwandter von Sars-CoV-2) brach 2002 auf einem Markt aus, wo Zibetkatzen und andere Tiere verkauft wurden, zufälligerweise in Guangdong.

Das Epizentrum der Covid-Pandemie lag jedoch weniger als 20 Kilometer entfernt von Chinas führendem Coronavirus-Forschungszentrum, dem Wuhan Institut für Virologie. Dies ist ein aussergewöhnlicher Zufall, und um ihn nicht abzutun, bräuchte man zwingende Beweise dafür, dass der Markt die Quelle war (oder dass das Labor es nicht war). Die vorhandenen Beweise reichen dafür nicht aus.

Davon abgesehen, gibt es keinen Beweis – jedenfalls keinen, den die Behörden in China mitgeteilt haben –, dass Sars-CoV-2 im Wuhan Institute für Virology präsent war. Obwohl dort eng verwandte Viren vorhanden waren, können wir es nicht genau wissen.

Wissenschaftler des Instituts gingen auf Coronavirus-Jagd in Orten wie Guangdong. Auch Wissenschaftler des Wuhan Center for Disease Control and Prevention, das nur fünf Gehminuten vom Markt entfernt ist, unternahmen entsprechende eigene Expeditionen. Damit gibt es einen offensichtlichen und plausiblen alternativen Weg zum ersten menschlichen Infektionsfall. 

Als Verschwörungstheorie abgetan

Doch schon im März 2020 wurde die Idee, ein Labor könne mit dem Ausbruch der Pandemie irgendetwas zu tun haben, mit sehr dürftigen Belegen als Verschwörungstheorie abgetan

Vor zwei Jahren behauptete einer der schärfsten Verfechter der Markthypothese, er habe durch seine Forschungen «die Idee, das Virus sei aus einem Labor entkommen, endgültig zu Grabe getragen». Ein Autor der neuen Analyse in «Cell» nennt alternative Erklärungen «fantasievoll» und «absurd».

Wen soll dieser ganze Pomp überzeugen? Nicht die Wissenschaftler, die Forschungsarbeiten lesen können, Gegenargumente zur Kenntnis nehmen und sich ihr eigenes Urteil bilden können. Nicht die Politiker, die eine ideologische Haltung zu diesem Thema eingenommen haben, insbesondere in den USA. Auch nicht die Geheimdienste, von denen viele glauben, sie seien unsere grösste Hoffnung, um die Wahrheit herauszufinden.

Ich beschäftige mich seit 25 Jahren mit den Ursprüngen menschlicher Viren, aber auch nach der Überprüfung aller Fakten weiss ich immer noch nicht, wie die Covid-Pandemie begann. Ich weiss aber, dass diese Frage wichtig ist, und dass die Diskussion darüber gefördert und nicht unterdrückt werden sollte.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Dieser Artikel erschien in englischer Sprache bei The Conversation». Mark Woolhouse erhält finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union und dem Wellcome Trust. Er ist Mitglied des ständigen Ausschusses der schottischen Regierung für Pandemievorsorge und hat die schottische und die britische Regierung sowie die WHO in Fragen der Pandemievorsorge und -bekämpfung beraten.
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Warum Biker gar keine Freude haben am neuen Waldgesetz

Der Wald macht einiges mit: Schreiende Pfadikinder, wilde Biker, Horden von Hündelern, Jäger, die Kameras an den Bäumen postieren. (Bild: wia)

Am 24. November entscheidet das Zuger Stimmvolk über die Teilrevision des Waldgesetzes. Am Montagabend trafen sich Gegner und Befürworter zum Schlagabtausch. Einig wurden sie sich lediglich in einem Punkt.

Der Wald zieht uns an. Wir suchen ihn auf, wenn die Gedanken endlos kreisen oder wir uns gestresst fühlen. Wir fordern uns selbst mit dem Mountainbike auf den engen, wurzeldurchzogenen Wegen heraus. Wir kommen her, damit der Hund mehr als nur den städtischen Asphalt beschnuppern kann. Er ist das Zuhause für Käfer, Vögel und Füchse, versorgt den Kanton Zug mit Holz und Wasser, leistet als Jagd- und Pilzgebiet einen Beitrag an unsere Nahrung und schützt uns ganz nebenbei vor Erdrutschen und Steinschlägen.

Der Wald ist eine komplexe Angelegenheit. Und sie wird immer komplexer. Dies nicht zuletzt, da die Bevölkerungsdichte in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Darum erarbeitete der Kantonsrat in den vergangenen zwei Jahren ein neues sogenanntes Einführungsgesetz zum Waldgesetz (EG Waldgesetz). Alles lief bestens, das Parlament sagte mit nur einer Gegenstimme klar Ja zum neuen Waldgesetz.

Mountainbiker wehren sich gegen die Teilrevision

Wenig Begeisterung für das Gesetz hatte hingegen die Mountainbike-Szene übrig. Diese ergriff das Referendum. Aus diesem Grund stimmen die Zugerinnen am 24. November über besagte Teilrevision ab.

Im Vorfeld zur Abstimmung organisierten die Grünliberalen im Rahmen ihres Stammtisches am Montagabend ein öffentliches Podiumsgespräch mit Befürwortern und Gegnern. Zu letzteren gehört Manuel Siegrist, der Präsident der IG Mountainbike. Zu den Gründen, warum er und viele seiner Bikerfreunde sich gegen das neue Waldgesetz wehren, sagte er während des Anlasses in der Altstadthalle: «Von Anfang an hiess es seitens des Kantons, dass man in Zug ein attraktives Routennetz für Velofahrer haben möchte. Tatsächlich war das die Kernaussage.»

Die wichtigsten Punkte des angepassten Waldgesetzes

  • Neu heisst es im Gesetz: «Die Betretung des Waldes geschieht auf eigene Gefahr»
  • Zwischen 1. April und 31. Juli müssen Hunde im Wald und am Waldrand an die Leine (zentralplus berichtete)
  • Die Definition der Waldgrenzen wird aktualisiert respektive statisch festgesetzt
  • Radfahren ist nur auf Waldstrassen sowie auf den im Richtplan bezeichneten Mountainbike-Routen erlaubt
  • Drohnen auf einer Flughöhe bis 50 Meter über Boden sowie das Betreiben von Überwachungsgeräten für private Zwecke ist verboten

Veränderungen für Bikerinnen könnten einschneidend werden

Die IG Mountainbike sei denn auch bei mehreren Sitzungen mit dem Kanton dabei gewesen und habe versucht, eine gute Lösung mitzugestalten. «Wir waren stets guten Mutes, dass es klappt mit dem attraktiven Routennetz. Als wir uns jedoch den angepassten Richtplan ansahen, mussten wir feststellen, dass das nichts mit dem zu tun hat, was wir uns erhofft hatten.» Im neuen Gesetzestext soll es künftig heissen: «Radfahren ist nur auf Waldstrassen sowie auf den im Richtplan bezeichneten Mountainbike-Routen erlaubt.»

«Wir hoffen auf einen pragmatischen Lösungsansatz und nicht auf eine Verbotskultur im Wald.»

Manuel Siegrist, Präsident IG Mountainbike


Siegrist erklärte: «Wir haben umfangreiche Daten gesammelt. In Betrachtung dieser zeichnet sich ab, dass künftig nur noch rund die Hälfte der Strecken, auf denen wir uns bewegen, mit dem Velo zugänglich sein wird.» Und weiter: «Uns ist bewusst, dass es Regeln braucht. Doch hoffen wir auf einen pragmatischen Lösungsansatz und nicht auf eine Verbotskultur im Wald.»

Wenig Verständnis für die Haltung der IG Mountainbike zeigte Seppi Roth, der Präsident von Wald Zug, welche die Interessen privater und öffentlicher Waldeigentümer vertritt. Roth verwies zunächst auf die mannigfaltigen Nutzungsweisen des Waldes im Kanton Zug und auf das bereits 25-jährige Waldgesetz, das dringend zu erneuern sei. «Es ist schlicht nicht mehr zeitgemäss. In dieser Zeit hat sich das Bundesrecht angepasst, ausserdem kamen technische Veränderungen, wie etwa Drohnen, die man im Gesetz berücksichtigen muss.»

Wo runter und wo nicht? Die Region Zugerberg, Walchwilerberg und Rossberg ist ein Traum für Mountainbiker. Noch. (Bild: zvg IG Mountainbike Zug)

Eine Frage der Versicherung

Roths Ansicht nach gehe es nicht ohne angepasste Regeln, insbesondere, da sich mittlerweile sehr viele Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen im Wald bewegen würden. Wichtiger noch sei aus der Sicht der Waldbesitzer ein anderer Aspekt: «Für uns geht es auch um die Frage der Versicherung. Wer haftet, wenn heute ein Biker im Wald verunglückt und plötzlich querschnittgelähmt ist?» Heute bewege man sich diesbezüglich als Waldeigentümer im luftleeren Raum. «Die Anpassung des Richtplans bezüglich der Velowege lässt uns ruhig schlafen.»

Völlig aus der Luft gegriffen ist das Beispiel nicht. Patrick Iten, Mitte-Kantonsrat und Präsident der Ad-hoc-Kommission zum EG Waldgesetz, ergänzte: «In einem Fall wurde ein Hund im Wald von einem herunterfallenden Ast erschlagen. Der Hundehalter reichte daraufhin eine Klage gegen den Waldbesitzer ein.»

Der Richtplan ist nicht sakrosankt

Bezüglich der Veloproblematik äusserte sich Iten wie folgt: «Wir verfügen über 300 Kilometer Waldstrassen. Zusätzlich sind designierte Biketrails im Richtplan vermerkt.» Er gab sogleich zu bedenken: «Der Richtplan ist nicht sakrosankt. Es kann sein, dass Waldeigentümer zu einem späteren Zeitpunkt einen Bikeweg auf ihrem Land befürworten. Das könnte man in den Richtplan hineinnehmen.»

Bezug nehmend auf das Referendum der IG Mountainbike sagte Iten abschliessend: «Ich finde es schade, wenn man den runden Tisch verlässt.» Worauf Siegrist konterte: «Wir sassen zwei Jahre am runden Tisch. Das Resultat war jedoch ein ganz anderes, als wir erwartet hatten. Ein Referendum stellte für uns das einzige demokratische Instrument dar, um uns zu wehren.» Siegrist abschliessend: «Ein Nein bei der Abstimmung ist kein Nein zum gesamten Gesetz. Wir wünschen uns lediglich den Feinschliff anders.»

Zum Konsens kommt es während des Podiums nur bedingt. Alle sind sich einig, dass es Regeln braucht. Welche Richtung dabei eingeschlagen wird, darüber sind sich die IG Mountainbike und der Verband Wald Zug uneinig. Ob sich die Bevölkerung mit den neuen Spielregeln für den Waldbesuch zufriedengibt, zeigt sich am 24. November.

Verwendete Quellen

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