Mpox: Professoren verbreiteten Falschinformationen auf Twitter

Martina Frei /  Was von Fachleuten zu den Affenpocken und ihren Folgen für Kinder verbreitet wurde, war grösstenteils falsch.

Im Mai 2022 berichteten europäische und US-Gesundheitsbehörden von Affenpocken-Erkrankungen. Die Erkrankungszahlen stiegen dort bis in den Sommer 2022 und sanken dann wieder. Im August 2024 hat die WHO nun wegen einer neuen Affenpocken-Variante eine weltweite Notlage ausgerufen, die höchste Alarmstufe. 

Wer sich auf Twitter dazu informieren will, sollte vorsichtig sein – selbst dann, wenn der Absender ein bekannter Medizinprofessor, Epidemiologe oder sogar der frühere Sanitätsinspekteur der Vereinigten Staaten ist, der oft in den Medien zitiert wird. Denn fast alle Tweets solcher hochangesehenen Personen erwiesen sich 2022 in Bezug auf Kinder als falsch. 

Das ergab die Auswertung von 262 Tweets, die von Mitte Mai bis Mitte September 2022 zum Thema Affenpocken und ihren Folgen für Kinder und Schüler abgesetzt wurden. Sie stammten von Ärztinnen, promovierten Wissenschaftlern, Pflegekräften, Medizinjournalisten, Apothekerinnen und weiteren Fachleuten, von denen ein Laie annehmen darf, dass sie kompetent twittern. 

Doch das war nicht der Fall: Auf einen Tweet mit korrekter Information kamen durchschnittlich 4,6 Tweets, die Falsches verbreiteten, zeigte die in «BMJ Pediatrics Open» veröffentlichte Auswertung. Anstatt klarzustellen, dass Kinder in den USA 2022 nicht zu den Risikogruppen gehörten, schürten die Tweets Ängste, indem sie das damalige Risiko für US-Schüler übertrieben gross darstellten oder US-Schulen zu gefährlichen Infektionsorten hochstilisierten.

Tweet Jerome Adams
Die Affenpocken würden noch viel schlimmer werden, kündigte der frühere oberste Gesundheitsbeamte der USA, Jerome Adams, am 15. Juli 2022 an: «… wartet nur bis die Schulen – inklusive der Colleges – in wenigen Wochen wieder öffnen …»

Prominenter Absender

Jerome Adams wurde während der Corona-Pandemie in seiner damaligen Funktion als Leiter des US-Gesundheitsdiensts von vielen Medien – auch in der Schweiz – zitiert. Twitter ist für viele Journalisten eine wichtige Informationsquelle.

Die Tweets der Gesundheitsfachleute sagten zum Beispiel voraus, dass sich die Affenpocken im Sommer 2022 in US-Schulen weit herum ausbreiten würden. Die Experten rieten auf Twitter auch, US-Kinder sofort gegen Affenpocken zu impfen oder die Schulen wegen der sich anbahnenden Affenpocken-Epidemie zu schliessen. Alle Tweets dieser hochgebildeten Personen stellten die Gefahr für die Jüngsten grösser dar, als sie damals tatsächlich war. 

Tweet Tsion Firew
Tweet der US-Medizinprofessorin Tsion Firew im August 2022: «Kinder mit Affenpocken: Dies ist die Spitze des Eisbergs (da die Symptome mit anderen Ausschlägen bei Kindern verwechselt werden können) & wir erwarten, dass die Zahlen steigen werden. Mit dem Beginn der Schulzeit & dem Mangel an Impfstoffen werden diese Zahlen im Herbst steigen, es sei denn, wir erweitern die Tests und Impfungen.»

Das Gros der Erkrankten waren Männer

Dabei war es zu jenem Zeitpunkt so, dass mehr als 95 Prozent der Infektionen mit Affenpocken Männer betrafen, und zwar fast ausschliesslich solche, die Sex mit anderen Männern hatten. Mehrere Fachleute, darunter der US-Epidemiologe Lao-Tzu Allan-Blitz, argumentierten damals in der Fachzeitschrift «Clinical Infectious Diseases», dass Mpox überwiegend beim Sex übertragen werde und daher als sexuell übertragbare Erkrankung einzustufen sei.

Im Herbst 2022 verebbte der damalige Ausbruch, die vorhergesagten Massenausbrüche an Schulen blieben aus.

Doch selbst im September 2022 kamen auf einen Tweet mit richtiger Darstellung noch immer drei, die falsche Informationen oder übertriebene Prognosen zu den Affenpocken bei Kindern verbreiteten. Und das sogar von Experten, die von Twitter als Zeichen ihrer Seriosität ein «blaues Häkchen» bekamen.

Tweet Jerome Adams
«Wenn man einen Kommentar schreibt, dass sich die #Affenpockenfälle alle zwei Wochen verdoppeln… und ein paar Stunden später erfährt man, dass sie sich verdreifacht haben… 🙊 🚀 🤦🏽‍♂️ Der Affenpocken-Notfall wird auch Schulen und Hochschulen betreffen. Seid bereit». Das twitterte der frühere «oberste Arzt» der USA, Jerome Adams. Er war bis Januar 2021 der US-Surgeon-General. Auf dem abgebildeten Plakat steht: «Gebt den Impfstoff frei.»

Falsche Informationen erreichten viel mehr Menschen

Die Tweets mit korrekten Einschätzungen erzielten eine viel kleinere Reichweite als die Angst machenden, die das Risiko für Kinder übertrieben darstellten. Die Absender der richtigen Informationen hatten nur rund 1,5 Millionen Follower. Ihre akkurat abgefassten Tweets erhielten bloss etwa 7000 «Likes». 

Die Absender der Falschinformationen dagegen kamen auf insgesamt über acht Millionen «Follower». Ihre Darstellungen erhielten durchschnittlich rund 200’000 «Likes».

Dazu zählte auch der US-Professor Eric Feigl-Ding. Von der «New York Times» bis zu «watson.ch» beriefen sich während der Corona-Pandemie viele Medien auf ihn, die Tamedia-Zeitungen bezeichneten ihn als «profilierten» US-Epidemiologen und Gesundheitsökonomen. Seine Tweets zu Corona wurden nicht nur vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach wiederholt weiterverbreitet, sondern auch von Journalistinnen und Journalisten zitiert.

Tweet Feigl-Ding
Der weltweit bekannte Epidemiologe Eric Feigl-Ding sagte Anfang August 2022 in seinem Tweet voraus, dass die Schulen im Herbst 2022 «radikal neue/mehr Massnahmen zur Abschwächung» der Affenpocken brauchen würden.

Positiv hob sich der Medizinreporter Benjamin Ryan ab: Von seinen 14 Tweets zu Affenpocken und Kindern waren alle korrekt. Das kommt sogar in der unten stehenden Grafik zum Ausdruck.

Grafik Knudsen et al.
Anzahl der inhaltlich korrekten Tweets (blau) und der falschen / übertriebenen Darstellungen (rot), aufgeschlüsselt nach Berufsgruppen: Mitarbeitende im Gesundheitswesen (Health Care), Medizinjournalisten (Health Reporter), diplomierte oder promovierte Gesundheitswissenschaftler und Pädagogen (PhD, MPH, Ed. degree), Juristen (JD) und alle zusammen. Dass die Medizinjournalisten so gut abschnitten, lag an einem Journalisten, der 14 korrekte Tweets absetzte.

Allerdings passierte auch Ryan ein Lapsus: In einem seiner Tweets fehlte ein höchst wichtiges «n». Der Affenpocken-Ausbruch 2022 betraf nicht, wie er versehentlich twitterte, «fast ausschliesslich Männer, die Sex mit ihm («with me») haben», sondern fast ausschliesslich Männer, die Sex mit Männern («with men») hatten.

Tweet Benjamin Ryan
Für einen seiner Tweets entschuldigte sich der Medizinreporter. Ryan hatte sich vertippt.

Bericht der afrikanischen Gesundheitsbehörde zum aktuellen Mpox-Ausbruch 2024

Die meisten Mpox-Erkrankungen betreffen derzeit die Demokratische Republik Kongo. Heterosexuelle Übertragung, insbesondere durch Prostituierte, treibe den Ausbruch dort voran. Unterernährung und HIV-Infektionen erhöhten die Empfänglichkeit für Mpox, schreiben Mitarbeitende der afrikanischen Gesundheitsbehörde Africa CDC in «The Lancet Global Health». Sie weisen auf die teilweise starke Zunahme der Mpox-Erkrankungen und den vergleichsweise hohen Anteil Minderjähriger hin. Hier die offiziellen Zahlen zu Mpox-Erkrankungen der Afrika CDC von Januar bis Juli 2024:

Land Mpox-Verdachtsfälle bestätigte Erkrankungen Mpox-Todesfälle Anteil der Personen unter 15 Jahren bei Erkrankungen / Todesfällen
Demokratische Republik Kongo
(Stand 30.7.2024)
13’791 2628 450 68 % / 85 %
Burundi (Stand 28.7.2024) 8 0
Kamerun 30 5 2
Zentralafrikanische Republik 185 28 0
Kongo 19 127 1 56 % / keine Angabe
Ghana 4 0
Liberia 5 0
Nigeria 24 0 50 % / 0
Ruanda (Stand 25.7.2024) 2
Südafrika (Stand 13.5.2024) 22 3
Quelle: Africa CDC, Mpox situation in Africa, 30. Juli 2024

Es gebe noch viele Fragen zum jetzigen Ausbruch und die Anzahl der Infektionen werde wahrscheinlich unterschätzt, insbesondere bei Randgruppen, vermutet der US-Epidemiologe Lao-Tzu Allan-Blitz. Dies würde den tatsächlichen Anteil der Fälle bei Kindern verändern. Allan-Blitz beobachtet das Geschehen genau. «Abgesehen davon gibt es im Vergleich zum Ausbruch von 2022 nun eindeutig mehr Übertragungen unter Kindern, was wahrscheinlich auf nicht-sexuelle Übertragungen in Haushalten aufgrund von engem Körperkontakt* zurückzuführen ist.»

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*In einer früheren Fassung stand hier leider fälschlicherweise «Arztkontakt». Lao-Tzu Allan-Blitz schrieb in seiner Antwort «close physician contact». Nachträglich stellte sich heraus, dass es sich um einen Tippfehler handelte. Gemeint war «close physical contact».


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Oberägeri: Gemeinde rechnet mit mehr Geld

Die Gemeinde Oberägeri geht davon aus, nächstes Jahr solide Gemeindefinanzen zu haben. (Bild: Andreas Busslinger)

Oberägeri sieht frohen Mutes in die Zukunft. Die Gemeinde rechnet für das kommende Jahr mit einem Plus bei den Finanzen – und senkt die Steuern.

Die Gemeinde Oberägeri hat ihr Budget für das kommende Jahr veröffentlicht. In einer Medienmitteilung am Donnerstag schreibt sie, dass sie 2025 mit einem Ertragsüberschuss von gut drei Millionen Franken rechnet. Nebst höheren Erträgen geht die Gemeinde auch davon aus, grössere Aufwände zu haben. Den Steuerfuss will Oberägeri nächstes Jahr bei 54 Prozent festmachen. Das sind drei Prozent weniger als noch dieses Jahr.

Rund 49 Millionen Franken glaubt Oberägeri nächstes Jahr einzunehmen. Dem gegenüber stehen budgetierte Ausgaben von 46 Millionen Franken. Im Vergleich zum laufenden Jahr hat die Einwohnergemeinde vor, gut eine Million Franken mehr auszugeben.

Auf und ab bei den Rechnungen

Wie der Medienmitteilung zu entnehmen ist, seien die höheren Aufwände vor allem auf anstehende Projekte und die damit verbundene Planungsarbeit zurückzuführen. Die Nettoinvestitionen der Gemeinde belaufen sich für das kommende Jahr auf einen budgetierten Betrag von ungefähr 14 Millionen Franken.

Während nächstes Jahr mit einem Plus gerechnet wird, geht die Gemeinde dieses Jahr davon aus, ein Defizit von etwas weniger als zwei Millionen Franken zu haben (zentralplus berichtete). 2023 und 2022 verbuchte Oberägeri in der Jahresrechnung ein Plus von rund fünf, beziehungsweise knapp sechs Millionen Franken (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen

  • Medienmitteilung der Gemeinde Oberägeri

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Nestlé desinfiziert «natürliches» Wasser seit den 1990er-Jahren

Daniela Gschweng /  Der Skandal um mit illegalen Methoden behandeltes Nestlé-Mineralwasser weitet sich nochmals aus.

Natürliches Mineralwasser kommt klar und kühl aus den Tiefen der Erde und muss kaum behandelt werden, denn es ist von «ursprünglicher Reinheit». So steht es im Gesetz. Erlaubt sind nur wenige Methoden.

UV-Licht und Aktivkohlefilter gehören nicht dazu. Genau diese hat Nestlé aber verwendet. Das zeigten Recherchen der französischen Zeitung «Le Monde» im Januar. Betroffen waren die Marken Perrier, Vittel, Hépar und Contrex.

Nestlé redete sich mit «Sorge um Konsumenten» heraus

Die Qualität von Mineralwässern wäre eben nicht immer gleich, rechtfertigte sich der Konzern. Aus Sorge um die Gesundheit der Konsument:innen werde das Wasser behandelt.  

Als Nächstes kam durch Recherchen von «Le Temps» zu Tage, dass Nestlé auch beim Minieralwasser Henniez in der Schweiz Aktivkohlefilter verwendet hatte. Inzwischen habe man die verbotene Praxis aber wieder eingestellt, teilte das Unternehmen mit (Infosperber berichtete).

Foodwatch: «Jahrzehntelanger, systematischer Betrug»

Nun stellt sich heraus, dass der Verstoss kein isoliertes Vorkommnis war. Die Europäische Kommission bestätigte am 24. Juli, dass Nestlé seit den 1990er-Jahren französisches «Mineralwasser» mit verbotenen Methoden filtert.

Der Betrug sei «beispiellos», schreibt das französische Medium «Mediapart». Es gehe um drei Milliarden Euro und einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren.

Nestlé habe seit den 1990er-Jahren mit verbotenen Methoden gereinigtes Wasser als «natürliches Mineralwasser» verkauft, fasst die Konsumentenorganisation Foodwatch auf Deutsch zusammen. Falls sich das wirklich so zugetragen habe, handle es sich um «jahrzehntelangen, systematischen Betrug», sagt Ingrid Kragl von Foodwatch Frankreich.

Die beiden verbotenen Methoden

UV-Licht wird verwendet, um Viren und Bakterien in Wasser, Luft und auf Oberflächen abzutöten. UV-Strahlung wird deshalb zur Wasserdesinfektion oder auch in Spitälern eingesetzt. So werden etwa Operationssäle mit ultravioletter Strahlung desinfiziert. Für Menschen ist die verwendete UV-C-Strahlung schädlich. Sie kann die Haut beschädigen und zu Bindehautentzündungen am Auge oder bei längerer Bestrahlung sogar zu Erblindung führen.

Aktivkohlefilter wiederum können unerwünschte Chemikalien wie PFAS und Pestizide aus dem Wasser filtern. Für Wasser von «ursprünglicher Reinheit» sollte beides nicht nötig sein. Sonst könnte man auch Leitungswasser als «Mineralwasser» verkaufen.

Prüfbericht: Kontrollstrukturen mangelhaft

Der Bericht rügte aber auch die französischen Behörden. Das existierende amtliche Kontrollsystem sei nicht «darauf ausgelegt, Betrug in der Branche der natürlichen Mineralwässer und Quellwässer aufzudecken». So könnten «nicht konforme und potenziell betrügerische Produkte auf den Markt gelangen».

Werde ein Verstoss festgestellt, hapere es zudem bei den Folgemassnahmen, die sicherstellen sollten, dass Unternehmen die verbotene Praxis nicht fortführen, keine daraus entstandenen Produkte auf den Markt bringen und nicht konforme Produkte vom Markt nehmen.

Die Reinheit von Mineralwasser wird also nicht richtig kontrolliert, und wenn dennoch ein Verstoss entdeckt wird, hat er kaum Folgen. Dazu passt, dass die französische Regierung bereits 2021 von Nestlé informiert worden sein soll. Diese Information sei laut Foodwatch aber weder an die Europäische Kommission noch an andere EU-Mitgliedsstaaten weitergegeben worden.

Ein Skandal wie in Frankreich könne sich aber ganz leicht auch in Deutschland ereignen, schätzt Foodwatch, das Nestlé Waters und Sources Alma im Februar verklagt hat. Auch dort fehle es an Personal, die Struktur der Behörden sei äusserst anfällig für Interessenkonflikte, die Kommunikation träge. Es gebe auch kein Transparenzgebot, kritisiert Foodwatch.

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Nestlé und Co. heilen Krankheiten, die sie selbst verursachen

Philippe Stalder /  Nahrungsmultis machen aus Fettleibigkeit ein Geschäftsmodell – und umgehen dabei Gesetze zu medizinischen Produktangaben.

Sie schiebt den roten Einkaufswagen durch die Gänge eines US-amerikanischen Lebensmittelhändlers und wirft eine Packung Kaffee, einen Behälter mit Eiscreme sowie eine Schachtel Tiefkühlpizza hinein. 

«Was haben diese drei Produkte gemeinsam?», fragt die Einkaufs-Influencerin Joanna Mitru ihre über 500’000 Follower rhetorisch auf Instagram.

«Richtig, sie alle können ernsthafte Beschwerden verursachen.»

Als Nächstes präsentiert Mitru drei Nahrungsergänzungsmittel der Marke Wonderbelly aus einem anderen Regal – in den Geschmacksrichtungen Erdbeermilkshake, Wassermelone-Minze und fruchtiges Müsli. Angeblich sollen sie Sodbrennen und sauren Reflux lindern. 

Nun kann die Influencerin ihr Cookies-and-Cream-Eis nach der Quattro-formaggi-Tiefkühlpizza und einer Tasse Instant-Kaffee also bedenkenlos schlemmen.

Fertiggerichte für Kinder

Hinter dem Gegenmittel für Magenbeschwerden steht der Investmentfonds AF Ventures, der vom französischen Lebensmittelriesen Danone mitbegründet wurde. AF Ventures investiert gleichzeitig auch in Chips, Brezel und Fertiggerichte für Kinder. 

Gemäss ihrer Website hat Danone es sich zur Aufgabe gemacht, «die Gesundheit so vieler Menschen wie möglich durch Ernährung zu verbessern». Doch der Lebensmittelhersteller stellt auch gesüsste Joghurts für Kinder her, die nach Angaben des Diabetes-Fonds zwei Würfelzucker pro Portion enthalten. Ebenfalls Teil des Danone-Sortiments: Erdbeerjoghurt mit nur 2,6 Prozent Erdbeeranteil, dafür gespickt mit bunten, zuckerhaltigen Schokokugeln.

Der französische Lebensmittelkonzern steht mit diesem Widerspruch nicht alleine in der Nahrungsmittellandschaft. Wie das niederländische Magazin «The Investigative Desk» herausfand, investieren fünf der zehn grössten europäischen Hersteller industriell stark verarbeiteter Lebensmittel ebenfalls in Produkte, die angeblich Krankheiten bekämpfen, die durch eine ungesunde Ernährung verursacht werden können. Und profitieren damit von der vermeintlichen Lösung eines Problems, das sie selbst mitverursacht haben.

So bieten Nestlé, Mars, Danone, Unilever und Kraft-Heinz Produkte aus den Sparten Gewichtsreduzierung und medizinische Ernährung für Diabetiker sowie Behandlungen für Verdauungsprobleme an.

Ausserdem bieten sieben der zehn grössten Nahrungsmultis – Nestlé, Mars, Danone, Unilever, Pepsi-Co, General Mills und Kella-Nova – gar Nahrungsergänzungsmittel mit gesundheitsbezogenen Versprechen an. Etwa zur Vorbeugung von Alzheimer, Asthma und Krebs.

Überzuckerte und stark industriell verarbeitete Nahrungsmittel sind einer der Hauptgründe für Adipositas. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bereits heute knapp 60 Prozent der Europäer entweder übergewichtig oder sogar adipös.

Übergewichtige Menschen haben ein höheres Risiko für chronische Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Schlaganfälle, bestimmte Krebsarten und Schlafapnoe. Übergewicht und Adipositas gehören nach Angaben der WHO zu den häufigsten Todesursachen in Europa mit schätzungsweise 1,2 Millionen Todesfällen pro Jahr, was etwa 13 Prozent der Gesamtsterblichkeit entspricht.

Abnehmen ohne Änderungen am Lebensstil

Seit der Jahrhundertwende und mit der Ausbreitung von Adipositas haben immer mehr Lebensmittelhersteller in den Gesundheitssektor investiert. 

Wie «The Investigative Desk» herausfand, investierten die grossen Nahrungsmultis in fast 100 Unternehmen aus dem Gesundheitssektor. Die meisten dieser Investitionen wurden während der letzten zehn Jahre getätigt.

Der grösste Investor in diese neue Strategie ist Nestlé mit rund 50 Investitionen im Gesamtwert von 2,8 Milliarden Euro. Unilever hat indes in mindestens 24 Unternehmen des so genannten «Health & Wellbeing»-Sektors investiert und verfügt über ein Portfolio im Wert von mehr als einer Milliarde Euro.

Nestlé, unter anderem ein Hersteller von Schokolade und Tiefkühlpizza, investiert in Abnehmprogramme und Mahlzeiten-Ersatzprodukte – etwa in die deutsche Schlankheitsmarke Bodymed, die Nestlé 2020 übernommen hatte.

Unilever, das Produkte wie Mayonnaise, geräucherte Würstchen und Eiscreme herstellt, ist über seine Investmentabteilung Unilever-Ventures Miteigentümer des Fettverbrennungs-Zusatzstoffherstellers Lemme. 

Das von US-Reality-Star Kourtney Kardashian gegründete Unternehmen vertreibt Pillen, die Heisshungerattacken unterdrücken und Cellulitis bekämpfen sollen. Sie sind in attraktiv gestalteten Gläsern verpackt und kosten etwa 35 Euro das Glas.

Indem sie vermeintlich schnelle Lösungen anbieten, gaukeln die Hersteller den Verbrauchern vor, dass sie einfach eine Pille oder ein Pulver kaufen können, um Gewicht zu verlieren, anstatt die notwendigen Änderungen am Lebensstil vorzunehmen.

Fragwürdige Etikettierung

Die Investitionen der Lebensmittelindustrie weisen Ähnlichkeiten mit den Strategien der Tabakhersteller auf. Die Tabakindustrie verdient ihr Geld nicht nur mit Zigaretten, sondern auch mit dem Verkauf von Medikamenten gegen Krankheiten, die durch das Rauchen verursacht oder verschlimmert werden. Wie etwa Asthma und Krebs.

In den Presseabteilungen der Nahrungsmultis sieht man das jedoch weniger problematisch: «Wir glauben, dass eine ausgewogene Ernährung, kombiniert mit regelmässiger Bewegung, der beste Ansatz für einen gesunden Lebensstil ist. Dazu passen auch Genussmittel», sagte Anya Pieroen, Leiterin der Abteilung Corporate Communications & Affairs bei Nestlé, gegenüber der Rechercheplattform Follow the Money

Eine Sprecherin von Danone antwortete gegenüber derselben Plattform: «Unsere Mission ist es, so vielen Menschen wie möglich Gesundheit durch Lebensmittel zu bringen. Seit Jahrzehnten entwickeln wir unser Angebot in Kategorien, die mit einer täglichen gesunden Ernährung zu tun haben.»

Das EU-Recht unterscheidet zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Zwar gibt es in der EU Gremien zur Bewertung von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln, doch in der Praxis erweist sich die Trennlinie zwischen den beiden Bereichen als sehr dünn.

Auch für die Schweiz hält das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) fest: «Nahrungsergänzungsmittel befinden sich oft im Graubereich zwischen Lebensmitteln und Heilmitteln. Sie dürfen keine pharmakologische Wirkung entfalten. Sie dürfen auch nicht als Arzneimittel aufgemacht oder mit Hinweisen zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beworben werden. Für eine korrekte Zuordnung eines Produktes ist immer eine Gesamtbetrachtung erforderlich.»

Wenn ein Unternehmen beispielsweise behauptet, dass ein Produkt bei der Behandlung oder Vorbeugung von Diabetes hilft, sollte dies als medizinische Angabe betrachtet werden. 

Aber die Nestlé-Tochter Bodymed sagt über ihren Frühstücksshake: «Mit einem eiweissreichen Frühstück betrügen Sie Ihren Körper, weil Ihr Blutzucker- und Insulinspiegel kaum ansteigt.»

Der Durchschnittsverbraucher könnte bei einer solchen Angabe aber einen Zusammenhang mit Diabetes herstellen.

Zahl der Gesundheitsprodukte steigt rapide an

Gemäss der niederländischen Behörde für Lebensmittel- und Verbraucherproduktsicherheit (NVWA) steigt die Zahl angeblicher Gesundheitsprodukte, die insbesondere in sozialen Medien beworben werden, rapide an.

Nestlé hatte im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 95 Milliarden Dollar, während der Umsatz von Danone fast 28 Milliarden Dollar betrug. Derweil werden die jährlichen Gesamtkosten der Fettleibigkeit bei Erwachsenen in der EU auf 70 Milliarden Euro geschätzt – einschliesslich der Kosten für das Gesundheitswesen und die verlorene Produktivität.


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Tiefsteuerpolitik: «Folgen für Mittelstand nicht mehr tragbar»

Im Juli wurden weitere Steuersenkungen angekündigt. (Bild: les)

Die Zuger SP will von der Regierung wissen, wie sich die Tiefsteuerpolitik des Kantons auf den Mittelstand auswirkt. Diese sei für die Zuger nicht mehr tragbar.

Immer mehr Zugerinnen kehren dem Kanton den Rücken – weil die Mietpreise in die Höhe geschossen sind. So berichtete der «Blick» diese Woche, dass in den letzten zehn Jahren netto über 3000 Personen mit Schweizer Pass aus dem Kanton weggezogen sind.

Das entgeht natürlich auch der Zuger SP nicht, der die Tiefsteuerpolitik des Kantons, schon länger ein Dorn im Auge ist.

Tiefsteuerstrategie treibt Mietpreise in «schwindelerregende Höhe»

In einer neuen Interpellation geht die SP-Fraktion auf die regelmässig erscheinenden Berichte «über die wachsende Unzufriedenheit im Mittelstand» und die zunehmende Abwanderung aus dem Kanton ein. Besonders eine Aussage, die Regierungsrätin Silvia Thalmann-Gut gegenüber dem «Blick» geäussert hat, gibt der SP zu denken. Thalmann-Gut sagte, dass man «bereit sein müsse, in die Peripherie zu ziehen», wenn man sich Zug nicht mehr leisten könne.

«Der Kanton Zug verfolgt seit Jahren eine Tiefsteuerstrategie, die Unternehmen und Reiche aus der ganzen Welt anzieht, jedoch die Mietpreise in schwindelerregende Höhen treibt», so die Zuger SP. Laut einer Auswertung des Immobilienportals Newhome koste eine Mietwohnung im Kanton Zug durchschnittlich 2819 Franken pro Monat, während der Mittelwert aller Kantone bei 1779 Franken liege. Diese Entwicklung führe dazu, dass viele Zuger, insbesondere aus dem Mittelstand, gezwungen seien, in benachbarte Kantone zu ziehen.

Die Zuger Regierung hat zwar ein Massnahmenpaket präsentiert, um die exorbitanten Wohnkosten in den Griff zu bekommen, hält jedoch weiterhin an ihrer Tiefsteuerpolitik fest. Im Juli wurden weitere Steuersenkungen angekündigt.

Was tut der Kanton gegen die Abwanderung – und gegen Kostenanstieg bei Wohnkosten?

Die Zuger SP stellt der Regierung nun mehrere Fragen. Unter anderem will sie wissen, wie die Regierung die aktuellen Wohnkosten im Kanton einschätze, insbesondere im Vergleich zu den Einkommen des Mittelstandes und was sie gegen den enormen Kostenanstieg tun wolle.

Die Folgen für den Mittelstand seien nicht mehr tragbar. Die SP-Fraktion fragt: «Weshalb will die Regierung noch tiefere Steuern für Reiche und grosse Unternehmen, obwohl sich die ansässigen Menschen die zu erwartenden Folgen noch schlechter leisten können?»

Weiter will die Zuger SP, dass die Regierung Massnahmen der letzten 10 Jahre aufführt, mit denen Wohnbaugenossenschaften unterstützt wurden und sie will wissen, wie viele kantonale Grundstücke der Kanton verkauft oder im Baurecht abgegeben hat.

Die SP-Fraktion fragt, ob die Regierung bereit sei, auf Steuersenkungen zu verzichten und mit mindestens 50 Millionen Franken jährlich den öffentlichen und gemeinnützigen Wohnbau zu unterstützen. Mit der Interpellation fordern sie nicht zuletzt Antworten auf die Fragen, was die Regierung gegen die Abwanderung tut und wie sie zur Aussage von Thalmann-Gut steht.

Verwendete Quellen

  • Interpellation der SP-Fraktion
  • Artikel im «Blick»
  • Weiterer Artikel im «Blick»

(Quelle: Infosperber) Link zum Originalpost

Keine Briefkastenwerbung für Prämienverbilligung

Der Luzerner Stadtrat sieht von einer ausführlichen Informationskampagne zu Prämienverbilligung ab. (Bild: mik)

Nach einem eingereichten Vorstoss zu einer städtischen Informationskampagne betreffend Prämienverbilligung gibt der Luzerner Stadtrat eine klare Marschrichtung vor.

Die Stadt Luzern soll aktiv alle Haushalte über die Möglichkeiten der Prämienverbilligung informieren. Dies fordern die städtischen Linken mit einem Postulat. Bisher müssen sich die Bürgerinnen selbst um die Informationen kümmern. Denn: Im Kanton Luzern bedarf es eines Gesuchs, um eine Prämienverbilligung zu bekommen – andernorts läuft das automatisch (zentralplus berichtete).

Jetzt liegt eine Stellungnahme des Stadtrats zum Anliegen vor. Dieser spricht sich gegen ein aktives Informieren durch die Stadt aus, teile aber die Ansicht der Postulantinnen, dass die Stadtbevölkerung gut über die Prämienverbilligung informiert sein soll.

Informationskampagne könne zu Irritation und Unmut führen

Der Stadtrat sehe vor allem von einer ausführlichen Postkampagne ab, da die Bevölkerung der Stadt Luzern bereits heute eine Vielzahl an Informationen sowohl zur Prämienverbilligung als auch zur Möglichkeit eines Krankenkassenwechsels erhalte.

Zudem habe er Bedenken, dass die Informationsschreiben genug früh bei den Stadtluzerner Haushalten eintreffen würden. Die Kurzfristigkeit eines solchen Schreibens dürfe eher zu Irritation und Unmut unter Stadtluzernerinnen führen, als die beabsichtigte, unterstützende Funktion zu erfüllen.

Die Stadtregierung wolle jedoch die Möglichkeit prüfen, über die städtischen Kanäle der sozialen Medien gezielt über Prämienverbilligung zu informieren. Auch sei der Luzerner Stadtrat bereit, sich in einem Schreiben an den Kanton für eine Vereinfachung der individuellen Prämienverbilligungsauszahlungen starkzumachen.

Verwendete Quellen

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Geplatzter Montana-Deal: Wurden Räte getäuscht?

Die Höhenklinik Montana in Crans-Montana wird «bis auf Weiteres» vom Luzerner Kantonsspital weitergeführt. (Bild: Luzerner Kantonsspital)

Die Höhenklinik Montana wird doch nicht verkauft. Das wurde kürzlich bekannt. Die SP fragt sich nun, ob den Kantonsratsmitgliedern bei der Parlamentsabstimmung über den Kaufvertrag Informationen vorenthalten wurden.

«Wurde der Kantonsrat irregeführt?» So titelt die SP ihre Mitteilung zu ihrer dringlichen Anfrage im Luzerner Kantonsrat. Dieser stimmte im vergangenen Mai dem Deal zwischen dem Luks und dem Swiss Medical Network zu. Das Network wollte die Höhenklinik Montana kaufen. Kürzlich wurde bekannt, dass daraus nichts wird. Aus «wirtschaftlichen Gründen» komme kein Geschäft zustande, teilten das Luks und das Swiss Medical Network anfangs Woche mit (zentralplus berichtete). Ursprünglich wurde ein Kaufpreis von 12,5 Millionen Franken vereinbart.

«Dies wirft kritische Fragen auf, weil in der entsprechenden Botschaft suggeriert wurde, dass die Verträge mit dem Käufer unterschrieben sind und sobald der Kantonsrat dem Kauf respektive der Entwidmung der Grundstücke und der Änderung des Spitalgesetzes zustimmt, dieser vollzogen werden kann», schreibt die SP in einer Mitteilung.

Wann wusste der Kanton, dass der Deal platzt?

Sie fragt sich, ob die Kantonsräte richtig informiert worden seien, als es um die Abstimmung zum Verkauf der Klinik ging. Nun fordert die mit einer Anfrage Partei Transparenz.

Etwa will sie wissen, zu welchem Zeitpunkt das Luks und der Regierungsrat wussten, dass der Verkauf scheitern könnte. Oder aber, warum der Kanton der Vertragsauflösung zugestimmt hatte und warum sich das Swiss Medical Network aus dem Vertrag zurückziehen konnte, obwohl im Rat suggeriert wurde, der Kauf sei beschlossene Sache. Weiter will die SP wissen, welche konkrete Pläne der Kanton nun mit der Montana-Klinik hat.

Gegenüber zentralplus gab der Kanton bisher lediglich an, dass verschiedene Szenarien geprüft werden. Für die Patientinnen der Höhenklinik sowie die Mitarbeiter ändere sich bis auf Weiteres nichts.

Verwendete Quellen

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